Alte Schmach und neues Treffen: Heute treffen der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski und verbündete Europäer drei Tage nach dem Alaska-Gipfel in Washington ein. Das weckt Erinnerungen an den Besuch Selenskis Ende Februar, der im Fiasko endete. Nachdem Trump ihn als Diktator titulierte und dessen Vize JD Vance ihn vor laufenden Kameras zurechtgewiesen hatten, verliess er Washington vorzeitig. Was ist diesmal anders?
Selenski kommt mit Verstärkung: Ein wesentlicher Unterschied zu Februar: Diesmal wird Selenski nicht nur mit seiner ukrainischen Delegation in Washington anreisen. Er bringt Verstärkung aus Europa mit – Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, Nato-Generalsekretär Mark Rutte und den deutschen Kanzler Friedrich Merz. Allein ihre Anwesenheit dürfte die Dynamik des Treffens mit Trump verändern und ein möglicherweise aufgeheiztes Gesprächsklima etwas abkühlen.
Schwieriger Spagat für Selenski: Spätestens der Alaska-Gipfel liess erkennen, dass der US-Präsident in Putin, dem Chef einer Atommacht, einen Ebenbürtigen sieht. Dem Ukrainer hingegen fällt die Position des Bittstellers zu, der auf Rückendeckung der Amerikaner angewiesen ist. Der Verlauf hängt wohl auch vom Auftreten Selenski ab und davon, ob er zu Zugeständnissen bereit ist. Selenski steht damit ein schwieriger Spagat bevor: Er muss für die Interessen der Ukraine einstehen und Trump gleichzeitig das Gefühl geben, dass dessen Vermittlungsbemühungen ernst genommen werden. Verzichtet Selenski öffentlich auf Gebiete, riskiert er im Land nach dem langen verlustreichen Krieg seinen Posten.
Was hat Trump vor? Der US-Präsident verfolgt den Plan, Putin und Selenski direkt an einen Tisch zu bringen. Trumps Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten könnte – wenn es gut verläuft – der Zwischenschritt dahin sein. Er sieht sich in der Rolle des Vermittlers, will Friedensstifter sein. Trump hatte im Wahlkampf gesagt, er sei in der Lage, den Krieg zu beenden. Daneben könnte eine Beendigung des Kriegs wirtschaftliche Vorteile für die USA mit sich bringen. Wenn Russland seinen Krieg beendet, könnten womöglich Sanktionen fallen und die USA wieder mehr Geschäfte mit der Rohstoffgrossmacht machen.
Nato-ähnliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine: Sicherheitsgarantien für die Ukraine – das ist eine der zentralen Forderungen Kiews und der Europäer für eine Nachkriegsordnung. Laut US-Sondergesandten Steve Witkoff ist Russland einverstanden, dass die USA und europäische Verbündete der Ukraine Nato-ähnliche Sicherheitsgarantien geben. Die Variante einer kollektiven Sicherheitsklausel für die Ukraine wäre nach dem Vorbild von Artikel 5 des Nato-Vertrags – ohne dass aber die Ukraine Mitglied der Nato wird. Wichtig ist den Europäern, dass bei den Sicherheitsgarantien die USA mit dabei sind. Zentral ist aus ihrer Sicht zudem, dass sie die ukrainischen Streitkräfte unbeschränkt aufrüsten und finanziell unterstützen können.
Knackpunkt Gebietsabtretungen: Ein Knackpunkt bei dem Treffen wird das Thema von Gebietsabtretungen sein, die Selenski immer wieder kategorisch abgelehnt hatte. Er warnte davor, Russland in dem Krieg etwas zu schenken und den Nachbarn so zu weiteren Aggressionen zu ermuntern. Russland hingegen besteht darauf, dass die Ukraine Gebietsverluste anerkennt.