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Ukraine und Russland Im UNO-Sicherheitsrat prallen zwei Welten aufeinander

Erstmals seit Kriegsbeginn trafen in diesem Gremium der ukrainische und der russische Aussenminister aufeinander. Der vierstündige Austausch spielte sich indes höchst undiplomatisch ab.

Schon etliche Male befasste sich der UNO-Sicherheitsrat mit dem Ukraine-Krieg. Stets ergebnislos. Das russische Veto verunmöglicht jegliche Entscheidungen. Diesmal trafen nicht nur Diplomaten, sondern die Aussenminister aufeinander. Und dies erst noch während der UNO-Gipfelwoche, wenn alle Welt in New York versammelt ist.

Die Aufmerksamkeit war daher besonders gross – ebenso waren es die Spannungen. Für den als Gast eingeladenen ukrainischen Aussenminister Dmytro Kuleba war klar, ein Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow könne es nicht geben. Er werde «social distancing» praktizieren, meinte er schon vorab.

Sicherheitsratsmitglieder fordern Strafen für Moskau

UNO-Generalsekretär António Guterres bezeichnete Moskaus Atomdrohung als völlig inakzeptabel. Ebenso Pseudoreferenden in besetzten Gebieten. US-Aussenminister Anthony Blinken fand deutliche Worte: «Die Weltordnung wird vor unseren Augen geschreddert.»

Die Weltordnung wird vor unseren Augen geschreddert.
Autor: Anthony Blinken US-Aussenminister

Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock brachte es folgendermassen auf den Punkt: Putin könne diesen Krieg nicht gewinnen, also solle er ihn beenden. Viele Sicherheitsratsmitglieder forderten, die Verantwortlichen in Moskau müssten bestraft werden, und suchten nach Wegen dafür.

Lawrow hörte sich Kritik nicht an

All das und viel mehr hörte sich der russische Aussenminister Sergej Lawrow gar nicht an. Er kam eineinhalb Stunden zu spät – ein beispiellos undiplomatischer Affront. Und dann wiederholte er sattsam bekannte faktenfreie Behauptungen, in denen er immer wieder die Ukraine als totalitären Nazi-Staat bezeichnete.

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow während seiner Rede in New York.
Legende: Der russische Aussenminister Sergej Lawrow während seiner Rede in New York. Keystone/AP Photo/Mary Altaffer

Viele am UNO-Sitz fragen sich, ob der in New York bestens vernetzte, hocherfahrene Spitzendiplomat und langjährige Aussenminister Russlands wirklich glaubt, was er da erzählt. Oder macht er sich damit einfach zum willfährigen Sprachrohr des Kremlchefs?

Ich stellte heute fest, dass russische Diplomaten fast ebenso so schnell abhauen wie russische Wehrpflichtige.
Autor: Dmytro Kuleba Ukrainischer Aussenminister

Jedenfalls sprach über seine Äusserungen ein Regime, das sich in die Ecke gedrängt fühlt und wild um sich schlägt. Lawrow überzog zudem seine Redezeit massiv und verliess den Saal gleich wieder.

Keine Annäherung

Da möge sich einer die kollektive Verurteilung durch den Rat nicht anhören, sagte der britische Aussenminister James Cleverly. Und der ukrainische Aussenminister Kuleba meinte süffisant: «Ich stellte heute fest, dass russische Diplomaten fast ebenso so schnell abhauen wie russische Wehrpflichtige.»

Man traf sich also im Sicherheitsrat. Doch es prallten zwei Welten aufeinander. Nähergekommen sind sie sich keinen Millimeter.

HeuteMorgen, 23.09.2022, 06:00 Uhr

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