Ein geheimer Plan für einen Frieden in der Ukraine – aber ohne, dass die Ukraine mitreden kann? Sondern nur die USA und Russland? Russland dementiert die Berichte. Aus der Ukraine heisst es von Präsident Selenski, man sei nun informiert worden und er wolle sich mit Trump treffen. Auch die EU will mitreden. Die Professorin Marina Henke forscht zur internationalen Sicherheit, an der Hertie School in Berlin, und sie ordnet die Entwicklungen ein.
SRF: Kann sich die Ukraine zu den Plänen einbringen?
Marina Henke: Die Ukraine kann sich auf jeden Fall einbringen, weil im Endeffekt die Ukraine diesem Friedensplan zustimmen muss. Die Ukraine ist zwar in einer sehr schwierigen Situation, sowohl an der Front als auch innenpolitisch. Aber im Grossen und Ganzen: Wenn die Ukraine Nein sagt, dann kann es zu diesem Friedensplan nicht kommen.
Gibt es für die Ukraine überhaupt Verhandlungsspielraum oder sind diese Zugeständnisse sowieso tabu?
Also im Endeffekt ist es ein Friedensplan, der von Russland kommt. Er scheint dem Plan, den Russland bei dem Gipfeltreffen von Trump und Putin in Alaska vorgelegt hat, sehr ähnlich zu sein. Es ist im Prinzip ein Diktatfrieden. Russland schreibt hier haargenau auf, was es möchte, und möchte im Prinzip, dass die Ukraine einfach unterschreibt, weil es gerade die schwächere Partei ist an der Front und in diesem Krieg.
Warum wurde dieser Friedensvertrag geheim verhandelt?
Man muss ja die innenpolitische Lage verstehen, sowohl von den USA als auch, was gerade in Russland los ist. In den USA ist Präsident Trump mit dieser Epstein-Geschichte unter Druck geraten. Zudem sieht es auch wirtschaftlich in den USA nicht gut aus. So denkt sich Trump, dass er sich wieder auf diese aussenpolitischen Erfolge konzentrieren sollte. Er hat mit dem Gaza-Friedensvertrag einen Erfolg eingefahren.
Es ist einfach: Russland will keinen Frieden.
Auf der russischen Seite ist es wichtig zu wissen, dass die Amerikaner Sanktionen auf die russische Ölindustrie verhängt haben. Der Ölpreis für russisches Öl ist gesunken, und dadurch, dass es auch diese Sekundärsanktionen gibt, müssen sie jetzt, vor allem gerade auch in Europa, wirklich ihre Raffinerien und auch Tankstellen schliessen.
Der Plan, der wurde geleakt. Wem nützt dieses Leck?
Im Grossen und Ganzen nützt es Russland. Russland hat immer noch als eines der Hauptziele, die transatlantische Allianz aufzuspalten. Die geheimen Verhandlungen führen zu Ärger auf der europäischen Seite und das führt dazu, dass es immer tiefere Risse zwischen den europäischen Partnern und Amerika gibt.
Wie realistisch ist es denn, dass die EU Einfluss auf diesen Plan nehmen kann?
Überraschenderweise gross, weil nämlich diese ganzen Gelder, die die Ukraine gerade bekommt, mittlerweile aus Europa kommen. Also diese Androhung, die die USA immer gemacht haben, zu sagen: Wenn ihr in der Ukraine nicht genau das macht, was wir wollen, dann bekommt ihr keine Gelder mehr. Diese Drohung existiert mittlerweile nicht mehr.
Welchen Verlauf erwarten sie mit dem Plan?
Ich denke im Endeffekt, dass dieser Plan wieder zerfällt. Es ist einfach: Russland will keinen Frieden. Ein Diktatfrieden könnte Russland Aufwind und eine gewisse Arroganz geben. Die Arroganz kann sehr leicht dazu führen, dass dann Russland sagt: Jetzt gehen wir ins Baltikum. Oder jetzt greifen wir ein anderes Gebiet an, das unter europäischer Kontrolle oder unter Kontrolle der Nato ist. Deshalb hat auch in Europa niemand Interesse daran, dass es jetzt hier zu einem Diktatfrieden kommt.
Das Gespräch führte Martina Koch.