Die USA haben offenbar mit Russland Vorschläge für ein Ende des Krieges in der Ukraine ausgearbeitet – ohne Beteiligung der Ukraine oder der europäischen Staaten. SRF-Korrespondentin Judith Huber in Kiew schätzt die Lage ein.
Was ist über den Plan bekannt?
Die Vorschläge wurden bisher von keiner Seite offiziell bestätigt, aber die Quellen scheinen seriös zu sein. Demnach sind es insgesamt 28 Punkte, die zahlreiche der Maximalforderungen Russlands enthalten. So etwa den Rückzug der Ukraine aus dem gesamten Donbass, also auch aus jenen Gebieten, die die Russen in bald vier Jahren Krieg nicht erobert haben. Auch sollen die ukrainischen Streitkräfte auf die Hälfte reduziert werden. Zudem dürfen keine ausländischen Truppen in der Ukraine stationiert werden und die Ukraine soll auf wichtige Waffen verzichten müssen. Das alles wäre eine starke Schwächung der Ukraine – also eigentlich eine Kapitulation. Im Gegenzug gäbe es offenbar bloss sehr vage Sicherheitsversprechen der USA.
Warum kommt der US-Plan gerade jetzt?
Es gibt bloss Vermutungen. Demnach könnte es damit zu tun haben, dass die ukrainische Führung und insbesondere Präsident Wolodimir Selenski durch den Korruptionsskandal sehr geschwächt ist. Da hofft man offenbar, ihn besonders unter Druck setzen zu können. Geschwächt ist die Ukraine auch an der Kriegsfront. Russland hat gewisse Geländegewinne gemacht. Die Stadt Pokrowsk etwa ist wohl verloren. Der Kreml weiss um diese Schwäche und denkt wohl, es sei ein idealer Zeitpunkt, um diese alten Forderungen wieder aufs Tapet zu bringen. Ausserdem hat Russland ein Interesse daran, dass die Sanktionen aufgehoben werden. Und vielleicht denkt man auch in Washington, man könne nun mit einer geschwächten Ukraine schnell einen Deal erreichen, den Präsident Trump dann vorzeigen kann.
Kann das Kalkül für Moskau und Washington aufgehen?
Das kann kaum aufgehen, denn Moskau und Washington verstehen die Situation ziemlich falsch: Präsident Selenski hätte gar nicht die Macht, ein so unvorteilhaftes Abkommen gegen den Willen eines grossen Teils der Bevölkerung durchzusetzen. Es sind schliesslich die Ukrainer und Ukrainerinnen, die gegen die Russen kämpfen – der Widerstandswille kommt aus der Gesellschaft. Und je schwächer Selenski ist, desto weniger kann er sich durchsetzen. Es ist schon bemerkenswert, dass solche Vorschläge erneut auf den Tisch kommen. Denn sowohl die Ukraine als auch die Europäer haben wiederholt klargemacht, dass sie nicht damit einverstanden sind. Ausserdem hat Russland schon 2022 ähnliche Forderungen gestellt und ist damit nicht durchgedrungen. Und damals war die Lage für die Ukraine auf dem Schlachtfeld viel prekärer als heute.
Wie geht es den Menschen in der Ukraine?
Die Situation ist wirklich sehr schwierig. Es ist dunkel und kalt – wegen der Jahreszeit, aber vor allem auch wegen des fehlenden Stroms und wegen fehlender Heizung. Mancherorts fliesst nicht einmal Wasser. Die russischen Angriffe haben die Energieinfrastruktur wirklich sehr stark beschädigt. Überall laufen Generatoren. Die Menschen leiden unter der Situation. Sie haben sich aber eingerichtet und finden Wege, damit umzugehen. Der Wille, irgendwie weiterzumachen, ist da. Das spürt man sehr stark. Aber man spürt auch viel Wut wegen der Korruption, die bis in die höchsten Sphären der Macht reicht und die das Land und die Verteidigung des Landes schwächt. Da ist gerade einiges in Bewegung. Dieser Skandal ist wohl noch lange nicht ausgestanden.