Das Aufatmen in Kiew und in europäischen Hauptstädten währte nur kurz. Zwar wirkte sogar US-Präsident Donald Trump zeitweilig frustriert über Russlands Weigerung, beim Krieg gegen die Ukraine auch nur ein Jota einzulenken. Zwar sagte das Weisse Haus ein Gipfeltreffen mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin in Budapest ab und verhängte Sanktionen gegen die russischen Erdölriesen Rosneft und Lukoil.
Doch nun scheint die Trump-Regierung bereits wieder ganz auf ihren früheren Pro-Kreml-Kurs umzuschwenken. Offenbar überzeugt, dass ein Friede in der Ukraine nur zu haben ist, wenn Moskau alles bekommt, was es verlangt.
Geschenk Washingtons an Moskau
Das lässt sich ablesen aus dem 28-Punkte-Friedensplan, den Trumps Emissär Steve Witkoff und der Kreml-Sondergesandte Kirill Dmitriev offenbar ausgehandelt haben. Dabei kann von echtem Aushandeln keine Rede sein. Eher von einem Geschenk Washingtons an Moskau. Die Amerikaner liefern, soweit der Plan durchgesickert ist, den Russen all das auf dem Präsentierteller, was diese bisher trotz aller militärischen Efforts nicht erreicht haben: nämlich das Ende einer souveränen Ukraine, also letztlich deren Kapitulation.
Noch ist unklar, ob die amerikanische und die russische Führung voll hinter diesem Plan stehen. Aber dass nun stündlich neue Einzelheiten durchsickern, deutet darauf hin, dass man so den Druck auf die Ukraine erhöhen will, nachzugeben und zu schlucken, was man ihr vorsetzt.
Eine Kapitulation der Ukraine als Plan
Und das hat es in sich: Es soll für sie keinen Nato-Beitritt geben. Sie müsste ihre Streitkräfte um die Hälfte verringern. Sie soll mehr Territorium abgeben als Russland bisher erobert hat. Die Lieferung von weitreichenden Waffen soll ebenso verboten sein wie die Stationierung europäischer Stabilisierungstruppen, um einen neuerlichen russischen Angriff zu verhindern.
De facto bedeutet all dies: Moskau erhielte – ohne Gegenleistung – die sicherheitspolitische Kontrolle über die Ukraine. Doch damit nicht genug. Auch in der ukrainischen Innenpolitik könnte Russland mitreden. Kiew müsste Russisch zur Amtssprache machen und die dem Kreml ergebene russisch-orthodoxe Kirche ohne Einschränkungen zulassen. Und als Bonus gäb’s von Washington obendrauf wirtschaftliche Zusammenarbeit für Moskau und ein Ende der Sanktionen.
Das ist kein Friedensplan für, sondern einer gegen die Ukraine. Während Trumps Zwanzig-Punkte-Gaza-Plan sowohl israelische als auch palästinensische Interessen einigermassen berücksichtigt, ist das beim Ukraine-Plan anders. Weder Kiew noch dessen europäischen Unterstützer waren an der Ausarbeitung beteiligt. Sie sollen erst in diesen Tagen informiert werden.
Die Luft wird immer dünner
Die ukrainische und die europäische Antwort auf diesen Geheimplan wäre normalerweise ein entschiedenes Nein. Doch die Lage hat sich erheblich zu Ungunsten der Ukraine verändert. Militärisch rückt Russland deutlich vor. Die ukrainischen Streitkräfte sind erschöpft, während Russland, trotz hoher Verluste, den Krieg weiterführen kann und weiterführen will.
Präsident Wolodimir Selenski ist zudem wegen eines Korruptionsskandals zuhause in Bedrängnis. Und die Europäer erweisen sich als ausserstande oder unwillig, dem Land in seiner immer prekäreren Lage finanziell und militärisch ausreichend zu helfen.
Kiews Handlungsoptionen werden weniger. Die Luft wird dünn. Die Chancen schwinden, sich einem russisch-amerikanischen Diktatfrieden verweigern zu können.