Zum Inhalt springen

Umstrittene Ostsee-Gaspipeline Wie weiter mit Nord Stream 2?

Kanzlerin Merkel will die Ostsee-Pipeline, trotz aller Kritik an Moskau. Die Deutschen sind in der Frage gespalten.

1230 Kilometer der Erdgaspipeline Nord Stream 2 sind gebaut, 148 Kilometer fehlen noch, bevor sie in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern deutsches Festland erreicht. Wenn es nach Bundeskanzlerin Angela Merkel geht, wird die Leitung fertig gebaut.

Daran ändern weder die russische Annexion der Krim, noch der Krieg in der Ostukraine, noch die russischen Angriffe in Syrien etwas. Und auch nicht der Fall Nawalny. Selbst Frankreichs Appell, aus Nord Stream 2 auszusteigen, kann die eiserne Kanzlerin nicht umstimmen.

Merkel: rein wirtschaftliches Projekt

Die Proteste Polens oder der Ukraine – auch ein Gastransitland – haben keinen Einfluss auf die Kanzlerin. So bekräftigte sie vor einigen Tagen: «Meine Grundeinstellung hat sich noch nicht dahingehend verändert, dass ich sage, das Projekt soll es nicht geben.» Es sei ein rein wirtschaftliches Projekt, betont sie wie auch ihr Wirtschaftsminister.

Die grösste Gefahr droht Nord Stream 2 von den USA, die allen am Projekt beteiligten Firmen mit Sanktionen drohen. Aus geopolitischen und wirtschaftlichen Eigeninteressen – Stichwort Flüssiggas.

Manuela Schwesig, SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, hat zur Rettung des Projekts eine Stiftung gegründet – offiziell zum Schutz von Klima und Umwelt. Allerdings könne die Stiftung, wenn nötig, einen kleinen Beitrag zur Ostsee-Pipeline leisten.

Stiftung als Tarnung?

Denn der Grossteil der 20-Millionen-Euro Stiftungsvermögen stammt vom russischen Konzern Gazprom, und die Stiftung wäre von US-Sanktionen nicht nachhaltig getroffen. Ein offensichtlich fauler Trick, kritisierte der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff: «99 Prozent des Satzungstextes gehen um Umwelt und Klima, aber 99 Prozent des Geldes kommen von Gazprom.» Schleswig habe im Grunde eine «Tarnorganisation» gegründet.

Vor allem die Grünen schäumen. Co-Chefin Analena Baerbock kritisierte im Bundestag, dass zwar die dramatischen Entwicklungen in Belarus, in der Ukraine, Syrien sowie Giftanschläge auf Oppositionelle bedauert würden: «Aber zeitgleich konterkarieren Sie mit ihrer politischen Unterstützung der Pipeline jegliche Sanktionen und unterstützen über Gazprom auch noch den Kreml mit Milliardeneinnahmen.»

Ostsee.
Legende: Das russische Verlegeschiff «Akademik Cherskiy» im Fährhafen Mukran auf Rügen (Landkreis Vorpommern). Es soll die restlichen 148 Kilometer Pipelinerohre in der Ostsee verlegen. Durch US-Sanktionen wurden die Arbeiten im Dezember 2019 gestoppt. imago images

Selbst der Naturschutzbund NABU lehnte die Umweltstiftung als vorgeschoben ab. Laut den Grünen ist die Pipeline bezüglich Energieversorgung nicht nötig und widerspricht wegen des Methanausstosses auch den Klimazielen.

Die SPD-Umweltministerin Svenja Schulze wiederum erklärte, das russische Erdgas sei nötig, um den Ausstieg aus Kohle und Atomkraft abzufedern. Die SPD-Aussenpolitiker, die sich als Erbe von Willy Brandts Ostpolitik verstehen, sehen die Pipeline auch politisch als direkten Draht zu Moskau.

Rhetorik und Politik

Entscheidend in Sachen Nord Stream 2 ist aber allein Angela Merkel. Sie ist keine Putin-Freundin und hatte ja auch den vergifteten Alexej Nawalny nach Berlin geholt und war so einen offenen diplomatischen Konflikt mit Moskau eingegangen.

Ihre Kritik an Russland war so heftig, dass viele Beobachter einen unmittelbar bevorstehenden Ausstieg aus Nord Stream 2 vermutet hatten. Es stellten sich jetzt sehr schwerwiegende Fragen, die nur die russische Regierung beantworten könne und müsse, so Merkel. Dann würden EU und Nato über eine angemessene Reaktion entscheiden. Doch obwohl vom Kreml gar nichts kam, gab es bislang keinerlei Reaktion.

Echo der Zeit, 04.02.2021, 18:00 Uhr

Meistgelesene Artikel