Das sogenannte Asow-Regiment ist umstritten: Für die einen sind die Kämpfer auf ukrainischer Seite Helden, Moskau dagegen bezeichnet sie als Nazis.
Früher ein Freiwilligenverband, ist das Asow-Regiment seit mehreren Jahren in die ukrainischen Streitkräfte integriert und kämpft seit Monaten gegen die russischen Invasoren an vorderster Front, vor allem im Südosten des Landes. Die Reporterin Andrea Jeska hat das Asow-Regiment kürzlich besucht.
SRF News: Welchen Eindruck haben Sie von den Asow-Truppen?
Andrea Jeska: Mein Eindruck ist, dass die Ukraine in diesem Krieg, der – was die Gewaltanwendung angeht – völlig ausser Rand und Band gefallen ist, Männer wie sie braucht. Die Asow-Kämpfer sind sehr mutig – das geht bis zur Todesmutigkeit – und verteidigen die Ukraine mit sehr grosser Disziplin und Waghalsigkeit.
Die Angehörigen des Asow-Regiments sind seit Monaten im Krieg – wie muss man sich diese Soldaten vorstellen?
Das Asow-Regiment umfasst sehr viele unterschiedliche Leute. In jener Einheit, mit der wir unterwegs waren, waren viele junge Männer im Alter zwischen 19 und 30 Jahren.
Wenn die Ukraine den Krieg gegen die Russen gewinnen will, dann braucht sie Männer wie die Asow-Soldaten.
Sie verbrachten schon ihre Kindheit und Jugend in der «Asow-Familie»: Sie trieben dort Sport, trainierten in Fitnesstudios oder wurden an der Waffe ausgebildet. Alle hatten eigentlich zivile Berufe oder waren Studenten. Doch mit dem Einmarsch der Russen Ende Februar wurden sie zu Soldaten.
Immer wieder wird behauptet, unter den Asow-Leuten gebe es viele Rechtsextreme. Trifft das zu?
Das ist sehr schwierig zu beantworten. Tatsache ist: Das Asow-Regiment wurde im Zug des Beginns des Kriegs im Donbass 2014 von Mitgliedern rechtsradikaler Vereinigungen gegründet. Seit das Regiment aber in die ordentlichen ukrainischen Streitkräfte eingegliedert wurde, haben viele der ursprünglichen Asow-Kämpfer die Gruppe verlassen.
Viele Soldaten wissen offenbar nicht, dass die Wolfsangel von Nazideutschland als Symbol benutzt wurde.
Die neue Generation nun hat mit Rechtsextremismus nicht mehr ganz so viel zu tun. Allerdings äusserten sich manche Asow-Mitglieder mir gegenüber durchaus sehr rechtslastig und nationalistisch. Auch haben einige von ihnen Symbole wie die Wolfsangel tätowiert – wobei viele Soldaten offenbar nicht wissen, dass es sich dabei um ein Symbol handelt, das von den deutschen Nazis benutzt worden ist. Sicher aber ist: Nicht alle Angehörigen des Asow-Regiments sind Rechtsextreme.
Das Asow-Regiment wird oft an vorderster Front gegen die russische Armee eingesetzt. Sind sich die jungen Männer bewusst, wie gefährlich der Krieg für sie ist?
Ja, durchaus. So hat etwa jede ihrer Einheiten auch immer wieder Tote zu beklagen. Allerdings ist schwierig abzuschätzen, wie viel ein Zwanzigjähriger, der sagt, er sei bereit zu sterben, vom Konzept des Todes tatsächlich verstanden hat. Es könnte sich dabei auch vor allem um jugendlichen Enthusiasmus handeln, dem die Reife fehlt, die Bedeutung des Todes wirklich zu verstehen.
Wie wichtig ist das Asow-Regiment für die ukrainische Seite im Krieg gegen die russischen Invasoren?
Sehr wichtig. Wenn die Ukraine den Krieg gegen die Russen gewinnen will, dann braucht sie Männer wie die Asow-Soldaten. Sie sind sehr gut trainiert und kämpfen auf hohem Niveau. Sie sind auch viel einsatzbereiter und waghalsiger als die meisten anderen Soldaten.
Das Gespräch führte Nicolà Bär.