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Umstrittenes Turnier Erhält der Fussball gerade ein neues Gewand?

Die Fussball-WM in Katar ist mit einem sportlichen Höhepunkt zu Ende gegangen. Die Kritik an der Fifa dürfte dennoch nicht abnehmen.

Der vielleicht grösste Fussballer aller Zeiten, umhüllt von katarischer Seide: Das Schlussbild dieser Weltmeisterschaft hat eindrücklich auf den Punkt gebracht, was die Fussballwelt seit Wochen bewegte.

Während sich einige in ihrer Katar-Kritik bestätigt sahen, erfreuten sich andere an einem Endspiel der Superlative, das als eines der besten aller Zeiten in die Geschichte eingehen dürfte.

Der Emir von Katar legt Lionel Messi ein Bischd, ein traditionelles katarisches Gewand aus schwarzer Seide über.
Legende: Der Emir von Katar legte Lionel Messi vor der Pokalübergabe ein «Bischt», ein traditionelles katarisches Gewand, um. IMAGO/Laci Perenyi;

Mittendrin: Die Fifa und ihr umstrittener Chef Gianni Infantino. Der Walliser dürfte sein Projekt, den Fussball weiter zu globalisieren, mit dem Erfolg dieser WM im Rücken weiter vorantreiben. Künftige Turniere mit noch mehr Mannschaften oder neue Wettbewerbe: Der Weltfussballverband sichert sich so mehr Macht, bietet seinen Kritikern aber auch zusätzliche Munition.

Wofür also stehen diese knapp 30 Tage Katar? Das Ende einer Ära oder ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte Weltfussball?

Europäische Fan-Malaise und neue Märkte

Es gab sie in unseren Breitengraden zuhauf: Die Fussballfans, die mit dieser WM nichts anfangen konnten und darum zu Hause blieben, statt ihre Mannschaften vor Ort zu unterstützen. Das kurzfristig eingesetzte Alkoholverbot und die Bilder vom Eröffnungsspiel, als viele der katarischen Zuschauer das Stadion schon lange vor dem Schlusspfiff verliessen, verstärkten den Eindruck einer WM, die eher für die VIP-Loge als für die Fankurve gedacht war.

«In der Ultra-Kultur feuert man seine Mannschaft immer an – egal, was der Spielstand ist», erklärt Michael Jucker, Leiter des Vereinsmuseums des FC Zürich und Historiker, der sich eingehend mit der Fankultur in Europa auseinandergesetzt hat. Für ihn ist klar: Diese WM stand in den Augen vieler Fans von Anfang bis Schluss unter keinem guten Stern.

Doch ein WM-Fazit muss auch festhalten: Dieses Turnier war globaler als frühere Ausgaben. Auf den Rängen dominierten marokkanische oder mexikanische Flaggen statt dem Georgskreuz der Engländer oder den leuchtend orangen Holländern.

Zwei mexikanische Fans halten ein Banner mit der Aufschrift «Beautiful Qatar» in die Höhe.
Legende: Nicht alle waren unzufrieden mit dem Austragungsort Katar. Mexikanische, argentinische oder marokkanische Fans sorgten für gute Stimmung in Doha. IMAGO/Fabio Ferrari/LaPresse;

Und auf dem Platz schafften es erstmals Mannschaften aus sämtlichen Kontinentalverbänden in die K.-o.-Runde: Ein Erfolg nicht nur für die beteiligten Nationen, sondern auch für die Fifa. Bereits Gianni Infantinos Vorgänger, Sepp Blatter, hatte die Globalisierung des Sports vorangetrieben.

Eines dieser nicht-europäischen Länder, das sportlich für Furore sorgte, war Japan. Die Kritik am Gastgeberland Katar nahm dort wenig Platz ein, so SRF-Korrespondent Thomas Stalder: «Die japanischen Medien haben nicht die Fifa direkt kritisiert, sondern man hat eher über die europäische Kritik an der Fifa gesprochen.»

Kritik an der Fifa dürfte bestehen bleiben

Für Guido Tognoni, langjährigen Kommunikationschef der Fifa, ist denn auch klar: «Die Wahrnehmung dieser WM ist viel positiver, als man das ursprünglich mal erwarten konnte.» Gianni Infantino, dessen Wiederwahl zum Fifa-Präsidenten im kommenden März so gut wie sicher ist, wird am Wahlkongress in Ruanda wohl gute Zahlen zum Turnier präsentieren können.

Weniger klar ist, was bei denjenigen bleiben wird, die Woche für Woche für Stimmung in den europäischen Stadien gesorgt haben. Fussballkenner Jucker beobachtet schon seit längerem eine Entfremdung zwischen organisierter Fankultur und der Fifa. «Die Fans wollen, dass der Fussball ehrlich bleibt.» Statt bei der Spitzenklasse in Doha einzuschalten, hätten es einige von ihnen vorgezogen, Spiele aus der dritten italienischen Liga anschauen.

Vieles im Weltfussball ist also im Wandel. Das sieht auch Guido Tognoni so: «Es galt lange als gegeben, dass die WM im europäischen Sommer stattfinden muss. Nun hat Katar gezeigt, dass es auch anders gehen kann.» Einer der Favoriten für die Austragung der WM 2030 ist Saudi-Arabien. In Riad zeigt das Thermometer heute, am 19. Dezember, milde 20 Grad an. Perfektes Fussballwetter also.

Tagesschau, 17.12.2022, 19:30 Uhr

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