Aussergewöhnliche Situationen verlangen aussergewöhnliche Mittel. Gemäss diesem Motto hat Frankreich in den vergangenen Tagen auf die Ankündigung des neuen strategischen Zusammenschlusses Aukus im Pazifischen Ozean reagiert. Der sonst besonnene Aussenminister Jean-Yves Le Drian schäumt, spricht von einem «Dolchstoss in den Rücken», von Verrat unter Vertragspartnern.
Frankreichs Botschafter in Australien und den USA wurden nach Paris beordert – das erste Mal in der Geschichte der bilateralen Beziehungen der Länder.
Diplomatischer Haussegen hängt schief
Australien und die USA versuchen zu beschwichtigen, Frankreich sei ja weiterhin ein wichtiger Partner. Aber die Wut des französischen Aussenministers wird nicht weniger. Selbst beim Auftakt der UNO-Generalversammlung am 20. September wetterte Le Drian gegen den Verrat von Verbündeten: «Ich habe mehrere Male mit den Australiern gesprochen, und sie auch gefragt, ob sie Atom-U-Boote interessieren. Die Antwort war jedes Mal Nein!»
Es ist keine alltägliche Sache, wenn ein Verbündeter einen 56-Milliarden-Euro-Vertrag bricht.
Kurz: Der diplomatische Haussegen hängt schief – und das, obwohl sich internationale Beobachter weniger überrascht geben als die Franzosen selbst. Doch der französische Politikbeobachter Jean-Pierre Maulny winkt ab. «Das war nicht voraussehbar. Es ist ja keine alltägliche Sache, wenn ein Verbündeter einen 56-Milliarden-Euro-Vertrag bricht. Wenn das zum Usus zwischen verbündeten Staaten wird, dann bleibt vom Bündnis nicht viel übrig.»
Geopolitische Lage zwang Australien zum Handeln
Der Vertrag mit Australien war alles andere als einfach. Bereits im April hatten die Australier ihre Unzufriedenheit deutlich gemacht: Die Kosten waren gestiegen, Arbeitsschritte verzögerten sich. Schon 2016 war das Jahrhundert-Abkommen zum Ankauf der U-Boote zwischen Frankreich und Australien abgeschlossen worden.
Atomar betriebene U-Boote wollten die Australier zunächst keine. Aber in den vergangenen Jahren hat sich die geopolitische Lage in der Region gewaltig verändert: Die wachsenden imperialen Ansprüche der Chinesen setzen die Australier zunehmend unter Druck. Die Franzosen schienen da ein zu schwacher Alliierter, die Australier haben also umgeschwenkt.
«Es ist natürlich verständlich, dass sich die Bedürfnisse der Australier geändert haben. Aber klar ist: Wenn die Australier Atom-U-Boote wollen, werden die USA dann zulassen, dass Frankreich die liefert? Die klare Antwort ist: Nein», sagt Jean-Pierre Maulny weiter. «Bereits in der Vergangenheit haben die USA Frankreich daran gehindert, Atom-U-Boote an Brasilien zu liefern. Das wäre hier genauso gelaufen. Für die Australier war klar: Wenn wir Atom-U-Boote wollen, dann geht das nur mit den Amerikanern.»
Frankreich sucht den Draht zu Indien
Einer war bisher verdächtig still: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er werde sich in den kommenden Tagen äussern, hiess es. Aber untätig war er dann doch nicht: Gestern verkündete der Élysée-Palast, eine bilaterale Kooperation Frankreichs und Indiens im indopazifischen Raum, um «die regionale Stabilität der Region und Rechtsstattlichkeit zu fördern und gleichzeitig jede Form der Vormachtstellung zu vermeiden». Besonders die wirtschaftlichen Beziehungen würden verstärkt.
Damit zeigt Emmanuel Macron, dass er noch nicht aufgegeben hat im Armdrücken mit den grossen Nationen.