Der Krieg hat Jemen an den Rand der Hungersnot gebracht und zehntausende Todesopfer gefordert. Doch über die Gründe des Konflikts ist wenig bekannt. Meist wird der Konflikt so dargestellt: Rebellen aus dem Norden, die Huthis, eroberten die Hauptstadt Sanaa und setzten zum Sturm auf das ganze Land an. Um die Huthis zu stoppen, schritt Saudi-Arabien mit einer Militärkoalition ein.
Doch nach fünf Kriegsjahren ist die Situation viel verworrener. Das zeigt sich in der Hafenstadt Aden. Letzte Woche erschütterten schwere Anschläge die Stadt im Süden. Am Mittwoch versuchten bewaffnete Männer die provisorische Zentralbank und den Regierungssitz zu stürmen.
«Wir kennen die Angreifer», sagt der Innenminister der Regierungsseite. Er sprach von Zwietracht, vom Versuch das saudisch-gestützte Lager von innen heraus zu schwächen. Tatsächlich kämpften in Aden nicht die von Iran unterstützten Huthis gegen Regierungskräfte. Verschiedene Kräfte erhoben auf der Regierungsseite die Waffen gegeneinander. Separatisten vom «Übergangsrat» gegen Präsidentengarden.
Was in Aden geschah, wirft ein Schlaglicht auf die tiefen Risse, die durch die international anerkannte Regierungsseite laufen. Eine Seite, die mehr eine Ansammlung Rebellen unterschiedlichster Couleur und Warlords geworden ist, als eine geeinte Schlachtfront. Der Riss verläuft auch durch die Militärallianz, die auf diese Kämpfer im Terrain setzt.
So gehen die Vorwürfe hin und her. Die Regierungsseite präsentiert sich in lamentablem Zustand. Der Süden war einst ein eigener Staat, hier gibt es starke Kräfte, die auf mehr Autonomie vom Norden hoffen oder gar auf die neuerliche Unabhängigkeit.
Sie werden von den Emiraten unterstützt, die sich als Seemacht in der Region zu profilieren suchen und an den Hafenstädten viel grösseres Interesse zeigen als am Norden, den die Saudis als ihre Einflusszone betrachten.
Zwar haben die Emirate letzten Monat einen Teil ihrer Truppen aus Jemen abgezogen. Ihr Aussenminister sprach vom Wechsel von einer Logik des Kriegs zu einer Logik des Friedens. Verlässliche lokale Verbündete würden die Lücke füllen. Doch vorige Woche wurden bei einem der Anschläge in Aden, jenem auf eine Militärparade, Dutzende Soldaten und ein respektierter Milizenchef einer dieser verbündeten Kräfte getötet.
Am Mittwoch vor dem Sturm aufs Regierungsgebäude vermischten sich beim Trauermarsch für den Milizenchef der Schock über den verheerenden Anschlag mit der Wut auf die Regierung Hadi, die überhaupt unfähig sei und zutiefst korrupt.
Kriegsgewinner auf allen Seiten
Der führende jemenitische Think Tank, das Sanaa-Center, bilanziert gerade wieder ernüchtert. Sämtliche Parteien, lokale, regionale und internationale, nützten das Chaos und den Kollaps des Staats aus, um eigene Interessen zu verfolgen.
Unter den Huthis hätten mächtige Repräsentanten dankt der Kontrolle von Importwege schamlos Vermögen angehäuft. Lukrative Geschäfte, die bedroht wären, wenn die Huthis einen Teil ihrer Macht abgeben würden.
Die Muslimbrüder, die auf der Seite der Saudis stehen, hätten versucht, im Kriegschaos Städte und Regionen zu neuen Fürstentümern umzuformen. Während im Süden separatistische Kräfte die Einheit torpedierten, um der Abspaltung näher zu kommen.
Und das im Kontext wachsender regionaler Spannungen: Zwischen dem Iran, der die Huthis unterstützt, und Saudi-Arabien, hinter dem die USA stehen.