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Ungarn sei eine Ein-Mann-Demokratie – zugeschnitten auf Orban, sagt Autor Dalos
Aus Echo der Zeit vom 18.03.2019.
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Ungarn auf Konfrontationskurs «Das ist Orbans Art, sich zu überschätzen»

Viktor Orban hat eine konfliktreiche Beziehung zu Europa. Ein Erklärungsversuch des Schriftstellers György Dalos.

György Dalos

György Dalos

Ungarischer Schriftsteller

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Der ungarischstämmige Schriftsteller und Historiker György Dalos lebt in Berlin. Er hat zahlreiche Literaturpreise sowie das deutsche Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhalten.

SRF News: Wie beurteilen Sie die stetigen Provokationen Orbans an die Adresse Brüssels?

György Dalos: Der Prozess, infolge dessen die Entfernung zwischen Viktor Orbans Ungarn und den ursprünglichen Quellen der EU immer grösser wird, ist schon lange im Gang. Der Konflikt hat jetzt einen Höhepunkt erreicht: Indem das Gesicht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker neben jenem des von Orban bekämpften ungarisch-jüdischen Milliardärs George Soros auf Plakaten in Budapest auftauchte. Immerhin: Als der Fraktionschef der europäischen EVP, Manfred Weber, Budapest besuchte, wurden die Plakate abgedeckt.

Ungarn ist keine Diktatur. Es ist eine auf Orban zugeschnittene Ein-Mann-Demokratie.

Man provoziert und zündelt gegen die EU – aber wenn es darauf ankommt, macht man wieder einen Schritt zurück?

Das Eigenartige an der ungarischen Entwicklung ist die Persönlichkeit Orbans. Sie prägt dieses Regime viel stärker, als das ähnliche Politiker in anderen ehemaligen Ostblockstaaten taten oder tun. Ungarn ist keine Diktatur, es ist eine Ein-Mann-Demokratie, zugeschnitten auf Orban. Es ist eine ziemlich ausgehöhlte, inhaltslose und orientierungslose Demokratie.

Wieso ist so etwas gerade in Ungarn möglich?

Ungarn erlebte die Wende vor 30 Jahren fast wie einen gemütlichen Weltuntergang. Die Kommunisten gaben ihre Macht praktisch ohne Widerstand ab. Es folgten die Reformen, die Hunderttausende von Arbeitsplätzen kosteten, die Inflation stieg stark an, das Volk war enttäuscht und auch verbittert. Viele Leute haben deshalb Orbans Partei Fidesz gewählt und an die Macht gebracht. Fidesz versprach schnelle Besserung und Stabilität.

Viele Ungarn sind enttäuscht, trotzdem äussern sich viele in Umfragen EU-freundlich. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?

Alles in Ungarn hat einen paradoxen Charakter. Nicht alle, die für Orban stimmen, sind mit ihm zufrieden. Wenn Orban und seine rechtsradikalen Gegner Jobbik durch die Enttäuschung der Menschen stärker geworden sind, heisst das nicht, dass alle Leute rechtsradikal denken. Sie sind verunsichert und fürchten Veränderungen. Kommt hinzu, dass jene Veränderungen, welche die politische Opposition verspricht, nicht überzeugend tönen.

Von einer Suspendierung wären mittelfristig wohl auch Fördergelder aus der EU betroffen.

Was kann die EU gegen diese Enttäuschung tun?

Die EU hätte schon viel früher stärkeren Druck auf die Regierung Orban ausüben müssen. Wenn Orbans Partei jetzt aus der europäischen EVP-Familie ausgeschlossen wird, ist von dieser Seite her in Zukunft weniger Druck möglich. Trotzdem ist eine Suspendierung wohl die bessere Variante. Denn dadurch wären mittelfristig wohl auch Fördergelder aus der EU betroffen. Dies würde auch das Volk zu spüren bekommen – und Orban würde weiterhin so tun, als sei Ungarn das Opfer des westlichen Verrats. Diese Geschichte wurzelt schon seit Jahrhunderten in der ungarischen Nationalgeschichte.

Wie werden die Ungarinnen und Ungarn reagieren, wenn Orbans Fidesz-Partei aus der EVP-Fraktion ausgeschlossen wird?

Für einen Teil wird es eine Ernüchterung sein, auf der anderen Seite kann Orban so die radikaleren Kräfte von der Jobbik gewinnen. In Wahrheit hat Orban wohl ein grösseres Ziel: Er möchte Führer in einem rechtskonservativen europäischen Block sein – mit Leuten wie Salvini, Le Pen oder den Pis-Leuten aus Polen. Er möchte eine Art rechte Internationale anführen. Das ist Orbans Art, die eigenen Möglichkeiten zu überschätzen.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

Orban spielt Katz und Maus mit der EU

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Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat eine ereignisreiche Woche vor sich: Am Mittwoch entscheidet der Vorstand der Europäischen Volkspartei EVP, ob Orbans Partei Fidesz aus dem konservativen Parteienverbund ausgeschlossen wird, oder zumindest vorübergehend suspendiert wird. Mehrere Parteien hatten den Ausschluss gefordert, weil Orban konsequent die EU und Europa kritisiert und seine EVP-Kollegen kürzlich als «nützliche Idioten» bezeichnet hatte. Zwar entschuldigte er sich für dieses Zitat, das aus der sowjetischen Propaganda stammt und Leute bezeichnet, die sich für etwas einspannen lassen. Aber schon am Tag darauf kritisierte er die EU wieder vehement.

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