Im Café des Matthias Corvinus College in Budapest, kurz MCC, gibt es zum Cappuccino Superlative. «Wir bekommen hier die Möglichkeit, die beste Version unserer selbst zu werden», sagt der 22-jährige Wirtschaftsstudent Marcell Dengei.
Das MCC ist die grösste Talentschmiede Mitteleuropas, sagt Balacs Orban. Er ist zwar nicht verwandt mit Ungarns Regierungschef Viktor Orban, ist aber einer seiner wichtigsten Berater. Und er ist Präsident des MCC-Stiftungsrats. Ziel sei, eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Elite in Ungarn zu formen. Dafür brauche es eine Stärkung des patriotischen Denkens.
Was Balacs Orban damit meint: Die Studierenden, die in einem chicen Budapester Quartier gratis wohnen, die Kurse in Leadership oder Recht oder Diplomatie besuchen und quasi nebenbei ein exklusives Netzwerk mit Ministerinnen, Staatssekretären und Geschäftsleuten knüpfen – diese MCC-Absolventen sollen sich dereinst für Ungarn einsetzen.
Doch für welches Ungarn? Für das konservative, illiberale von Viktor Orban? Da gebe es keinerlei Druck, sagt Ökonomiestudent Dengei. Die Gästeliste des MCC hinterlässt einen anderen Eindruck: Da dominieren konservative und erzkonservative Denker. Und unter den Lehrpersonen haben auffällig viele auffällig gute Verbindungen zur Orban-Regierung.
Lehrpersonen mit internationalem Renommée gebe es hingegen keine an der Eliteschule, sagt Jozsef Palinkas. Er war früher Orbans Bildungsminister, später Präsident der Akademie der Wissenschaften; heute ist er ein Orban-Kritiker: «Das MCC ist eher eine Propagandamaschine als eine Eliteschule.» Und es sei ein bequemer Landeplatz für ehemalige Minister oder Staatssekretäre. Wenig Arbeit, viel Lohn.
Verschobene Staatsgelder
Seit letztem Jahr ist das MCC steinreich. Umgerechnet zwei Milliarden Franken hat die Regierung an die private Stiftung überwiesen, die das MCC betreibt. Zwei Milliarden Staatsvermögen, die in private Hände gelegt wurden. Zwei Milliarden Franken, die nicht mehr den ungarischen Bürgerinnen und Bürgern gehören.
Eine Frechheit, findet Orbans ehemaliger Bildungsminister: «Das MCC hat die Milliarden nicht wegen seiner Leistung bekommen, sondern wegen seiner Loyalität zur Orban-Regierung.» Balacs Orban, der Präsident der reichen Stiftung, sieht das natürlich anders. Es sei darum gegangen, das MCC unabhängiger zu machen; unabhängig auch von der Orban-Regierung. Das gelte auch für andere Hochschulen.
Sogar wenn Viktor Orban abgewählt würde, werden diese Leute noch lange Einfluss nehmen auf die Hochschulen.
Die ungarische Regierung hat nämlich nicht nur der MCC-Stiftung viel Vermögen überschrieben. Sie hat auch elf staatliche Universitäten privatisiert. Auch sie werden künftig von Stiftungen betrieben. Mehr Unabhängigkeit für Hochschulen, das klingt gut. Aber es klingt nicht besonders glaubwürdig aus dem Mund eines Stiftungspräsidenten, der gleichzeitig einer der wichtigsten Berater von Orban ist.
Macht über Geld und Posten
Und es klingt noch etwas weniger glaubwürdig, wenn man sich anschaut, wer in den Stiftungsräten des MCC und der privatisierten Universitäten sitzt. «Ich kenne nicht eine Person in diesen Stiftungsräten, die nicht Orban-treu ist», sagt Palinkas, der ehemalige Bildungsminister. Das sei wirklich beunruhigend. Denn die Stiftungsräte sind auf Lebzeiten gewählt: «Auch wenn Orban abgewählt würde, werden diese Leute noch lange Einfluss nehmen auf die Hochschulen.»
Mit den üppig versorgten Hochschulstiftungen sichert Orban sich und den Seinen Macht und Einfluss. Macht über viel Geld, Macht über Posten; und Einfluss darauf, was die künftigen Eliten lernen.