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Ungebremste Erderwärmung Klima-Kipppunkte rücken näher – Korallen nicht mehr zu retten

Eine neue Studie zeigt: Der Klimawandel schreitet schnell voran. Und damit könnten unumkehrbare Folgen eintreten.

Darum geht es: Die Erde nähert sich mit der Klimaerwärmung rasant sogenannten Kipppunkten – wenn diese überschritten werden, lässt sich der bisherige Zustand nicht mehr wiederherstellen. Davor warnen nun 160 Klimaforschende aus 23 Ländern. Nötig seien bislang beispiellose und sofortige Massnahmen von politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt, so die Studienautorinnen und -autoren.

Die ultimative Warnung: «Wir steuern rapide auf mehrere Kipppunkte des Erdsystems zu, die unsere Welt verändern könnten und zerstörerische Folgen für Menschen und Natur hätten», betont Tim Lenton, Leiter der Studie «Global Tipping Points Report». Der Bericht wurde von einem internationalen Forschungsteam der Universität Exeter veröffentlicht.

Potenziell verheerende Kipppunkte

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Ausgebleichte Koralle in trübem Wasser.
Legende: Die Korallen bleichen aus, sterben ab – und ihren Lebensraum übernehmen Algen. Reuters / Jorge Silva

Ein Kipppunkt in der Klimaforschung ist ein kritischer Schwellenwert, bei dessen Überschreiten ein Teil des Erdsystems vergleichsweise plötzlich und oft unumkehrbar in einen neuen Zustand kippt – mit potenziell furchtbaren Folgen für die Menschheit. Forschende sehen es als essenziell an, Kipppunkte zu vermeiden, um schwerwiegende, nicht mehr rückgängig zu machende Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern.

Kipppunkt 1 – Korallenriffe: Die Temperaturschwelle für das grosse Warmwasser-Korallensterben liegt bei schätzungsweise 1.2 Grad Erwärmung. Mit derzeit rund 1.4 Grad ist dieser Kipppunkt bereits überschritten. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Erderwärmung noch bei 1.5 Grad stabilisieren lasse, liege die Wahrscheinlichkeit für einen totalen Verlust der Warmwasser-Korallenriffe bei mehr als 99 Prozent, so die Studie.

Was bedeutet der Verlust der Korallen?

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Ausgebleichte Koralle.
Legende: Wird das Meerwasser zu warm, bleichen die Korallen aus und sterben ab. Reuters

«Die Auswirkungen sind gravierend», sagt Thomas Frölicher. Der Klimawissenschaftler ist Professor für Ozeanographie an der Universität Bern. Zwar seien die Korallen in der Erdgeschichte während hochtemperaturiger Phasen auch schon ausgestorben. Doch wenn die Korallen verschwinden, dominieren immer mehr Algen in diesen Lebensräumen. Folgen: «Der Schutz der Küsten vor Sturmfluten und Erosionen nimmt ab und Menschen verlieren die Nahrungsgrundlage, weil sie jetzt vom Fischfang in den Korallenriffen leben», so der Berner Ozeanograf.

Gemäss den aktuellen Klimamodellen könnte die weltweite Korallenbedeckung bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts auf nur noch 10 bis 30 Prozent des heutigen Niveaus sinken, so Frölicher weiter. «Das heisst: Selbst wenn die Erwärmung bei 1.5 Grad gestoppt werden könnte, ist es fast sicher, dass viele Korallenriffe kippen und so ihre Lebensfunktionen verlieren.»

Kipppunkt 2 – Amazonas-Regenwald: Die seit Jahrzehnten unter massiver Abholzung, Abbrennen und Dürren leidende grösste Regenwaldregion der Erde ist stark gefährdet. Die Forschenden gehen davon aus, dass die Schwelle, ab der ein weitreichendes Absterben droht, niedriger ist als bislang angenommen. Demnach liegt das untere Ende der angenommenen Spanne, an der das System kippen könnte, bei den praktisch bereits erreichten 1.5 Grad.

Kipppunkt 3 – AMOC: Die Atlantische Umwälzströmung könnte schon bei einer Erderwärmung von unter zwei Grad kollabieren, nehmen die Forschenden an. Dies würde in Nordwesteuropa zu deutlich harscheren Wintern führen und unter anderem die Bedingungen für die Landwirtschaft in grossen Teilen durcheinanderwirbeln – mit drastischen Folgen für die weltweite Ernährungssicherheit. Prognosen zur AMOC gelten allerdings als sehr unsicher.

Es gibt positive Zeichen: Seit ihrer letzten Bestandsaufnahme vor zwei Jahren sehen die Forschenden auch Fortschritte beim Wandel hin zu mehr Klimaverträglichkeit. So gebe es weltweit eine starke Beschleunigung bei installierten Solaranlagen und Elektroautos. Trotzdem: «Wir müssen mehr tun und uns schneller bewegen, um positive Kipppunkte zu erreichen», betont Forscher Lenton.

Rendez-vous, 13.10.2025, 12:30 Uhr ; 

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