Es gibt Tage, an denen die Weltpolitik zur One-Man-Show verkommt. Das ist umso bemerkenswerter, wenn an einem solchen Tag das Who’s who der Staats- und Regierungschefs der Weltöffentlichkeit die Ehre erweist.
Zum Auftakt der jährlichen Generaldebatte am UNO-Hauptsitz in New York haben sich heute ein Dutzend Schwergewichte der Weltpolitik in die Rednerliste eintragen lassen: von al-Sisi über Erdoğan, Lula, Macron bis Ramaphosa und Selenski.
Und doch interessiert die meisten bloss der Auftritt eines einzigen Mannes: des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald J. Trump.
Trump im Rampenlicht
Will er die Regierungen bestrafen, die tags zuvor Palästina als Staat anerkannt haben? Nimmt er eine Tafel mit neuen Zollsätzen mit ans Rednerpult? Wird er in seiner Rede unter dem goldenen UNO-Emblem gar den Austritt aus der UNO verkünden? Der Mann, das muss man ihm lassen, ist für Überraschungen gut.
Dabei zeigt sich an der UNO-Jahresversammlung 2025 besonders deutlich das Paradox Trumpscher Politik: Alles richtet sich auf den amerikanischen Präsidenten – doch je greller das Scheinwerferlicht, desto blasser wird sein Einfluss auf die globale Ordnung.
Verbündete stellen sich quer
So erkennen in den Tagen vor Trumps Rede einige der wichtigsten Verbündeten der USA Palästina als Staat an. Sie gehen damit auf Distanz, nicht nur zu Israel, sondern auch zur Israel-Politik der USA. Obwohl Trump ohne Wenn und Aber an der Seite Israels steht, düpierte ihn der dortige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit seinem Angriff gegen Katar, einen anderen wichtigen Verbündeten der USA.
Und während Trump auf «maximalen Druck» gegen den Iran setzt, verhandeln europäische Regierungen am Rande der UNO-Generalversammlung mit dem Iran und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Nicht die USA, sondern Frankreich, Deutschland und Grossbritannien geben diplomatisch den Ton an.
Eine neue Machtbalance
Schliesslich nutzt die chinesische Regierung die New Yorker Bühne, um Verbündete gegen die «unilateralen Zölle» der USA zu gewinnen. Diese Zölle sorgen selbst in traditionell US-freundlichen Staaten für Unmut.
Die chinesische Regierung präsentiert sich dabei als Verteidiger des freien Welthandels – ein Rollenwechsel, der noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Für Washington bedeutet das, dass selbst enge Partner zunehmend nach Alternativen zur amerikanischen Führungsrolle suchen.
So viel Aufmerksamkeit Trump auch auf sich zieht: Die Welt hört ihm zu, aber sie folgt ihm nicht mehr. Während er im Rampenlicht steht, gestalten andere längst die Spielregeln neu: europäische Diplomaten im Atomstreit mit dem Iran, asiatische Staaten im Widerstand gegen US-Zölle, selbst enge Verbündete bei der Anerkennung Palästinas.
Genau 80 Jahre sind vergangen seit der Gründung der UNO, mit der die Gründungsväter aus den USA einst ihre Werte und Interessen in die Welt hinaustragen wollten. Nun wird die Jahresversammlung 2025 zum Sinnbild einer Machtverschiebung.
Der amerikanische Präsident beherrscht zwar mehr denn je meisterhaft die Schlagzeilen, doch die Richtung der Weltpolitik bestimmen immer öfter andere. Trumps Politik lebt von der Pose der Stärke – ihre Grenzen aber treten in New York deutlich zutage.