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UNO-Hilfswerk schlägt Alarm Palästinenserhilfswerk UNWRA – so unbeliebt wie unentbehrlich

Das Palästinenserhilfswerk fordert 104 Millionen Dollar mehr für die Zivilbevölkerung in Gaza. Ob das klappt, ist ungewiss.

Keine UNO-Organisation zählt mehr Angestellte als das Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNWRA), nämlich 30'000. Auch das Budget ist mit rund einer Milliarde Dollar enorm. Kaum eine andere UNO-Organisation sorgt aber auch regelmässig für so heftige Kontroversen.

Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis stellte schon vor Jahren die Frage, ob die UNWRA in Palästina eher Teil der Lösung oder Teil des Problems sei. Diese Woche urteilte er milder und meinte, das Hilfswerk sei zwar nicht ohne Fehler, momentan jedoch unverzichtbar.

Fünf Millionen Menschen zählen auf UNWRA

Im Gazastreifen, in der Westbank, im Libanon, in Syrien und Jordanien sind heute gut fünf Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser auf die UNWRA angewiesen. Sie betreibt Schulen, bietet eine Gesundheitsversorgung an und Sozialdienste und sorgt für die Infrastruktur in Flüchtlingssiedlungen. Angesichts der durch die Hamas-Terrorattacke verschärfte Not in Gaza wird das Hilfswerk erst recht gebraucht.

Doch anders als das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR erhält die auf Palästina-Hilfe fokussierte Institution oft schlechte Noten. Nur zum Teil ist sie daran selbst schuld. Denn problematisch ist bereits ihr Auftrag: Sie unterstützt nicht nur die vor einem Dreivierteljahrhundert im ersten arabisch-israelischen Krieg rund 700'000 Vertriebenen, sondern auch all ihre Nachkommen. Die andauernde Hilfe behindere die Reintegration der Vertriebenen an ihrem jetzigen Wohnsitz, wird oft auch kritisiert.

Politische Nebenwirkungen unvermeidbar

Kritisiert werden auch die UNWRA-Schulbücher. Sie sind oft keineswegs neutral, sondern bisweilen stark anti-israelisch. Inzwischen ist man hier sorgfältiger. Doch vereinzelt tauchen weiterhin tendenziöse Inhalte auf.

UNWRA-Schule in Gaza City
Legende: UNWRA-Schule in Gaza City am 8. Oktober 2023 nach einem israelischen Vergeltungsschlag für den Hamas-Terrorangriff. Keystone/EPA/Mohammed Saber

Tatsache ist auch, dass die tausenden von UNWRA-Lehrerinnen und -Lehrer nicht in Norwegen oder Neuseeland rekrutiert werden, sondern in Palästina. Viele von ihnen tragen ihre pro-palästinensische und mitunter anti-israelische Sicht in die Schulen. Bisweilen hat die UNWRA auch recht sorglos Hamas-Aktivisten rekrutiert. Gegen den Umstand, dass Terroristen UNWRA-Spitäler oder Schulen als Verstecke für Waffen und Kommandoposten missbrauchen, kann die Organisation indes wenig ausrichten.

Zahlungen auch schon ausgesetzt

Die Folge: Die USA unter Präsident Donald Trump stoppten die Unterstützung des Palästinenserhilfswerks ganz. Die Schweiz, Belgien, die Niederlande und andere Staaten stellten ihre Zahlungen zeitweilig ein. Inzwischen fliessen die meisten Mittel wieder. Doch die UNWRA muss ständig um Geld betteln und erhält selten so viel, wie sie bräuchte.

Gleichzeitig geht es nicht ohne UNWRA. Sie ist so unbeliebt wie unentbehrlich. Zwar kritisiert besonders Israel das Hilfswerk scharf. Doch man weiss auch in Jerusalem, dass man es braucht. Sonst wäre nämlich die israelische Besatzungsmacht verpflichtet, im Westjordanland Schulen, Spitäler und Sozialdienste für Palästinenser zu betreiben.

Das Verhältnis zwischen Israel und UNWRA gilt deshalb als unglückliche Zweckehe. Auch in Syrien, Jordanien und im Libanon sind viele in der palästinensischen Diaspora auf UNWRA-Hilfe angewiesen, zumal die dortigen Regierungen eine Integration verhindern. Die Kritik an der UNWRA wird so bald nicht abebben. Doch gerade in der aktuellen Grosskrise gibt es zu ihr keine Alternative.

Echo der Zeit, 12.10.2023, 18:00 Uhr

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