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Wo werden ehemlaige IS-Kämpfer vor Gericht gestellt?
Aus SRF 4 News aktuell vom 20.02.2019.
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UNO-Sondergerichte für Syrien? «Im Fall der IS-Terroristen gibt es wenig Alternativen»

Was soll mit den Kämpfern der Terrormiliz IS passieren, die in Syrien in Gefangenschaft sind? Die Frage stellt sich, seit US-Präsident Trump die europäischen Länder aufgefordert hat, ihre Staatsbürger, die für den IS gekämpft haben, zurückzuholen. Die Skepsis ist sowohl in der EU als auch in der Schweiz gross.

Fredy Gsteiger

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Die Kurden fordern, dass die UNO Sondergerichte in Syrien installiert. Der diplomatische Korrespondent von SRF, Fredy Gsteiger, erklärt den Zusammenhang.

SRF News: Könnten UNO-Sondergerichte in Syrien funktionieren?

Fredy Gsteiger: UNO-Sondergerichte können eine denkbare Lösung sein. Es gab sie schon in vielen Fällen, in Ruanda oder Ex-Jugoslawien, für Liberia. Allerdings ist es oft eine komplizierte, sehr teure und nicht perfekte Lösung. Aber im Fall von Syrien und den IS-Terroristen gibt es wenig Alternativen. Die Herkunftsländer dieser Terroristen, vor allem in Europa, wollen die Prozesse nicht selbst durchführen.

Der Internationale Strafgerichtshof ICC ist in Syrien nicht zuständig, da Syrien nicht Mitglied ist.

Sie fürchten zum einen die Rückkehr dieser Leute und sie wissen auch, dass es sehr schwierig sein würde, Beweise beizubringen um diese Leute tatsächlich zu verurteilen. Am Ende könnten also Freisprüche stehen.

Aber auch vor Ort gibt es derzeit auch kaum die Möglichkeit, diese Prozesse durchzuführen. In den von Kurden bewohnten Gebieten im Irak und Syrien selber ist man überfordert damit, die syrische Regierung will solche Prozesse nicht durchführen. Der Internationale Strafgerichtshof ICC ist in Syrien nicht zuständig, da Syrien nicht Mitglied ist. Er müsste zuerst vom UNO-Sicherheitsrat autorisiert werden, doch das zu tun hat sich bislang Russland im Sicherheitsrat stets geweigert.

Gibt es vergleichbare Situationen, in denen solche Sondergerichte eingesetzt wurden?

Ein Stück weit vergleichbar war die Justiz im Fall der Piraterie am Horn von Afrika. Dort hatten wir die Situation, dass Somalia – ein gescheiterter Staat – selbst ausserstande war, solche Verfahren durchzuführen. Die westlichen Länder zögerten ebenfalls. Zwar wurden einzelne Prozesse in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland durchgeführt, aber diese Staaten taten das sehr ungern.

Piraten haben sich durch ihre Verurteilung sozusagen die Möglichkeit verschafft, nach Europa zu kommen.

Die Piraten, die gefasst wurden, waren ja kleine Fische. Sie konnten zwar oft verurteilt werden, aber es blieb bei einer kurzen Haft und danach haben diese somalischen Ex-Piraten Asyl beantragt. Sie haben sich sozusagen mit der Piraterie die Möglichkeit verschafft, nach Europa zu kommen. Deshalb hat man sie in vielen Fällen, als solche Piraten auf hoher See gefasst wurden, gleich wieder freigelassen. Die Lösung war dann eben ein Sondergericht in Mombasa. Es war kein UNO-Gericht, aber es wurde von der UNO-Organisation für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität unterstützt, auch von der EU. Man bezahlte im Grunde Kenia dafür, die Prozesse durchzuführen.

Und wie erfolgreich waren diese Sondergerichte in Mombasa?

Sie waren einigermassen erfolgreich. Es wurden zahlreiche Piraten verurteilt. Viele wurden auch inhaftiert. Es gab dann Diskussionen, ob die Gefängnissituation in Mombasa den internationalen Standards der UNO entspricht. Man hat die Situation dort etwas verbessert.

Eigentlich müssten auch die Vertreter des syrischen Regimes, die ebenfalls Kriegsverbrechen begangen haben, verurteilt werden.

Man muss allerdings sagen, dass diese Piraterieprozesse relativ einfach waren, denn die meisten Piraten wurden ja auf frischer Tat ertappt. Es gab also Zeugen für ihr Tun, Seeleute auf den internationalen Schiffen beispielsweise. Also war die Beweislage nicht allzu schwierig. Im Fall Syrien und im Fall der IS-Terroristen ist das natürlich ungleich schwieriger. Sie wurden nicht auf frischer Tat ertappt.

Wie wahrscheinlich ist es, dass in Syrien erfolgreich UNO Sondergerichte zum Zug kommen?

Noch ist völlig offen, ob es überhaupt ein UNO-Sondergericht oder ein anderes Sondergericht geben muss. Für ein Gericht bräuchte es einen Beschluss des UNO-Sicherheitsrates. Der ist fraglich. Denn wenn dieser Beschluss sich nur gegen die IS-Terroristen richtet, ist das es im Grunde ungerecht. Eigentlich müssten ja die Vertreter des syrischen Regimes, die ebenfalls Kriegsverbrechen begangen haben, ebenso verurteilt werden. Gegen einen solchen Beschluss ist aber das russische Veto so gut wie sicher.

Es stellt sich auch die Frage, wie erfolgreich diese Sondergerichte wären, wenn es sie denn gäbe, und wo sie operieren würden. Vermutlich wären sie nicht in Syrien, wohl eher im Irak. Und weiter: Wie gut wären sie organisiert, wie kompetent wären die Richter? Solche Fragen sind noch völlig ungeklärt.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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