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Urteil gegen Chefredaktorin Duterte will den «Rappler» per Gesetz mundtot machen

Maria Ressa ist die bekannteste Journalistin auf den Philippinen. Nun soll sie bis zu sechs Jahre in Haft.

Als die Richter vor rund zwei Wochen ihr Urteil verkündeten, sass Maria Ressa im Gerichtssaal und machte sich Notizen. Als wäre sie einfach eine Journalistin, nicht die Verurteilte. «Die Demokratie stirbt in der Dunkelheit», ist ihr Leitspruch.

Also sieht sie es als ihre journalistische Hauptaufgabe an, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Sie sei immer noch da – auf Kaution vorläufig in Freiheit.

Auf der Redaktion des Onlinemediums «Rappler» arbeite man weiter. Auf die Frage, ob denn die Philippinen noch eine Demokratie seien, zögert Ressa. «Schwer zu sagen», sagt sie. Die demokratischen Institutionen seien am Kollabieren, die Justiz habe ihre Unabhängigkeit verloren.

Vergleich mit Marcos

Der populistische Präsident Rodrigo Duterte regiere heute autoritärer als seinerzeit Diktator Ferdinand Marcos. Die Sicherheitskräfte töteten laut Menschenrechtsgruppen im sogenannten Drogenkrieg mehr als 25'000 Menschen. Das kritisiert nun auch die UNO scharf. Und, so Ressa, ein paar wenige Kabinettsmitglieder könnten heute jemanden zum Terroristen erklären. Im Visier sind oft einfach Regierungskritiker, wie sie eine ist.

Die drahtige 56-Jährige mit dem jungenhaften Kurzhaarschnitt und der randlosen Brille war lange Jahre investigative Journalistin beim US-Sender CNN. Der Obrigkeit ist sie seit Langem ein Stachel im Fleisch.

Unzählige Male gingen die Behörden gegen «Rappler» und Ressa vor. Mal lautete der Vorwurf auf Steuerhinterziehung, mal auf unerlaubte Finanzierung aus dem Ausland. Beim jüngsten Angriff geht es um angebliche Internetkriminalität und Verleumdung. Dabei wurde der entsprechende Gesetzesartikel erst nachträglich massgeschneidert, um gegen Ressa verwendet zu werden. «Das Regime will der Bevölkerung einimpfen, ich sei eine Kriminelle – wie alle Journalisten.»

«Person of the Year»

Tatsächlich sagt Duterte das ganz offen. Mundtot gemacht durch ein Sendeverbot wurde inzwischen auch der wichtigste Fernseh- und Radiosender ABS-CBN. «Rappler» recherchiert und publiziert weiter, über Polizeigewalt, Machtanmassung, Korruption, trotz aller Schikanen.

Vor zwei Jahren erhielt die Publikation den renommierten Preis für Medienpioniere des International Press Institute, Ressa wurde vom US-Magazin «Time» zur Persönlichkeit des Jahres gekürt. Sie nimmt das als Ermunterung, weiterzumachen. «Wir haben gelernt, das Damoklesschwert, das ständig über dem Kopf hängt, einfach wegzuschieben», sagt sie.

Maria Ressa auf "Time"-Cover
Legende: Maria Ressa ist Gründerin und Chefredaktorin des Internetportals «Rappler», inzwischen fast die einzige Publikation, die es noch wagt, unabhängig und regierungskritisch zu berichten. Keystone

Schuld am Druck auf Journalisten gibt Ressa auch den sozialen Medien: «Dank ihnen können Regierungen oder kleine, gut organisierte, aber radikale Gruppen enormen Einfluss nehmen. Sie werden zu Waffen zur Manipulation von Massen umfunktioniert.» Die Philippinen seien dafür ein ideales Testgelände – wegen der englischen Sprache und dem Fakt, dass 72 Millionen auf Facebook seien, die höchste Nutzung sozialer Medien weltweit.

Weitere tote Hunde

Ressa, die früher die sozialen Medien gerade für Schwellenländer als Chance sah, sieht sie heute als Gefahr für die Demokratie. Das dürfe die Welt nicht einfach hinnehmen. Ihr Beitrag dazu ist, sich nicht einschüchtern lassen.

«Ich stelle mir stets die Frage: Welchen Skandal haben wir noch nicht aufgedeckt? Offenbar liegt da noch so mancher Hund begraben, sonst würde die Regierung nicht so viel Energie investieren, um mich zum Schweigen zu bringen.» Den Humor hat sie nicht verloren. Und erst recht nicht ihre Energie.

SRF 4 News, HeuteMorgen, 27.07.2020

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