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US-Armee in Syrien «Vielleicht ist der Rückzug die beste Antwort»

Kurz vor Weihnachten hatte US-Präsident Donald Trump angeordnet, die rund 2000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen. Der Entscheid, ein Wahlversprechen, kam für viele überraschend, vor allem für die US-Alliierten im Syrienkrieg.

Diese sind beunruhigt – auch wegen des Zeitplans des Truppenabzugs, der sich immer wieder ändert. Zuerst hiess es 30 Tage, dann vier Monate. Jetzt heisst es: erst, wenn die Terrormiliz IS wirklich geschlagen sei.

Eine US-Delegation mit Trumps Sicherheitsberater John Bolton und dem Chef der US-Streitkräfte, General Joseph Dunford, ist derzeit in Israel, später auch in der Türkei, unterwegs. Sie sollen erklären und beruhigen. Syrien-Experte Joshua Landis ordnet die Situation ein.

Joshua Landis

Experte für den Mittleren Osten und Syrien

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Der US-amerikanische Wissenschaftler Joshua Landis hat sich auf den Mittleren Osten spezialisiert. Er ist Syrien-Experte und Leiter des «Center for Middle East Studies» an der Universität von Oklahoma.

SRF News: Wie ernst ist es Trump mit seinen Abzugsplänen wirklich?

Joshua Landis: Es scheint ihm damit sehr ernst zu sein. Bolton und Aussenminister Mike Pompeo hatten Trump offenbar empfohlen, eine Anti-Iran Politik zu betreiben, mit dem Bekenntnis, lange in Syrien präsent zu bleiben. Und Trump lehnte es ab, das Dokument zu unterzeichnen.

Und jetzt müssen die beiden just jene Politik den Türken und den Israeli verkaufen, die sie gar nicht unterstützen. Wie macht man das?

Es zeigt, wie gross das Chaos im Weissen Haus ist. Trump hat Nationale Sicherheitsberater eingestellt, deren Ansichten sehr viel militaristischer sind als seine eigenen. Im Wahlkampf versprach Trump, er würde die USA aus ihren stupiden Kriegen herausholen, und er verurteilte die Nahost-Politik seiner Vorgänger Obama und Bush. Jetzt kehrt er zu seinen ursprünglichen Versprechen zurück, weil er schon den Wahlkampf für seine Wiederwahl in zwei Jahren betreibt. Das hat seine Berater überrascht: Sie dachten, sie könnten ihre eigene Nahost-Politik machen und Trump würde ihnen einfach folgen.

Indem die USA sich langsam vom Ziel eines Regierungswechsels wegbewegten, wurden sie quasi zu stillschweigenden Verbündeten Assads.

Wenn die USA ihre Truppen wirklich aus Syrien abziehen, wer wird ihren Platz einnehmen?

Ich glaube nicht, dass es die Türken sein werden. Aussenminister Pompeo hat gesagt, man werde der Türkei nicht erlauben, in die kurdischen Gebiete Nordsyriens einzumarschieren. Wahrscheinlich wird die syrische Regierung ihre Truppen wieder im Norden Syriens stationieren, zusammen mit der kurdischen YPG-Miliz. Die syrische Regierung ist ziemlich schwach und braucht die Kurden, um den Norden Syriens unter Kontrolle zu halten – genau wie die USA die kurdische Miliz brauchte, um die Terrormiliz «Islamische Staat» (IS) zu bekämpfen und das Gebiet zu kontrollieren.

Ist es nicht ironisch, dass ausgerechnet die syrische Regierung nun den Platz der Amerikaner in diesem Krieg einnimmt?

Das ist sehr ironisch. 2011 sagte Obama, Assad müsse abtreten. Schliesslich finanzierten die USA zusammen mit Verbündeten wie Saudi-Arabien, Katar und der Türkei die syrische Opposition. In der Hoffnung, dass diese eine neue syrische Regierung stellen würde. Diese Politik scheiterte – vor allem, weil radikale Gruppen wie der IS zu dominierenden Kräften in Syrien wurden. Indem die USA sich langsam vom Ziel eines Regierungswechsels wegbewegten, wurden sie quasi zu stillschweigenden Verbündeten Assads.

Vielleicht ist der Rückzug die beste Antwort.

Leute wie Bolton und Pompeo hatten gehofft, dass die USA helfen würden, die Wiedereroberung ganz Syriens durch das Assad-Regimes zu bremsen und im Norden eine kurdisch geprägte Regierung zu etablieren. Präsident Trump will das nicht. Er argumentiert, dass die USA dann während Jahrzehnten als Beschützer dieser kurdischen Enklave im Land bleiben müssten – und er hat recht damit. Es gibt nur zwei Millionen Kurden, sie sind sehr arm. Ohne Schutz durch die USA könnten sie sich niemals eine eigene Armee leisten.

Syrien-Abzug: USA stellen Türkei Bedingungen

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  • Die USA verlangen vor einem möglichen Truppenabzug aus Syrien von der Türkei den Schutz der mit den USA verbündeten Kurden im Norden des Bürgerkriegslandes.
  • Die Türkei sollte keinen Militäreinsatz unternehmen, der nicht vollständig mit den USA abgestimmt sei, um die US-Truppen nicht zu gefährden, sagte der Nationale Sicherheitsberater John Bolton in Jerusalem.
  • Die Türkei müsse auch die Forderung der USA erfüllen, dass die syrischen Oppositionsgruppen, die an der Seite der USA gekämpft hätten, nicht gefährdet würden.
  • Die Position von US-Präsident Donald Trump laute, dass die Türkei die Kurden nicht töten dürfe und dass das US-Militär ohne eine Vereinbarung darüber nicht aus Syrien abgezogen werde, sagte Bolton.
  • Die USA haben die Kurdenmiliz YPG im Kampf gegen die Extremistenmiliz IS unterstützt. Die Türkei sieht die kurdischen Kämpfer aber als Terroristen an und hat gedroht, die YPG zu zerschlagen.

Sie erwähnen, dass die syrische Regierung geschwächt sei und die kurdische Miliz brauche – und umgekehrt. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Türkei dies ausnutzt und in den Norden Syriens einfällt?

Ich glaube, dass die Wahrscheinlichkeit eines türkischen Angriffes täglich geringer wird. Die Türkei will sicherstellen, dass es an ihrer Grenze zu Nordsyrien keine unabhängige kurdische Armee gibt. Und solange die syrische Regierung und die Russen das garantieren und die syrische Armee wieder im Norden stationiert wird, wird Erdogan das akzeptieren und hinter seiner Grenze bleiben.

Ohne USA gäbe es keinen quasi-unabhängigen Kurdenstaat im Nordirak.

Es ist nicht das erste Mal, dass die USA die Kurden enttäuschen, denken wir an den Irak-Krieg. Wie wird ein Rückzug der USA aus Syrien die kurdisch-amerikanischen Beziehung beeinflussen?

Die USA haben die kurdischen Erwartungen wiederholt nicht erfüllt. Andererseits geniessen die Kurden im Nordirak heute weitgehende Autonomie dank den Amerikanern. Ohne USA gäbe es keinen quasi-unabhängigen Kurdenstaat im Nordirak. Die syrischen Kurden wären durch den IS und die Türkei längst vernichtet worden. Die Beziehungen werden weiterhin wichtig sein, auch wenn sie durch den amerikanischen Truppenabzug stark angeschlagen sind.

Auch für den engen US-Verbündeten Israel ist der Rückzug der US-Truppen aus Syrien keine gute Nachricht. Wie werden Bolton und Dunford diesen Entscheid in Israel erklären?

Sie werden den Israeli sagen, dass Syrien ein Nebenschauplatz ist: ‹Wir haben wieder Sanktionen gegen Iran erhoben und das Atom-Abkommen versenkt›. Das ist ein grosser Gefallen gegenüber Israel. Präsident Trump hat die Botschaft nach Jerusalem verlegt. Er hilft Israel, ihre Besetzung der Westbank, Jerusalems und des Golans zu legitimieren. Trump hat also viel für die Sicherheit Israels unternommen, auch indem er engere Bande zwischen Israel, Saudi-Arabien und Ägypten unterstützte.

Die USA haben im Nahen Osten in den vergangenen 20 Jahren wild um sich geschlagen.

Israel hat seine Position im Nahen Osten so gesichert wie noch nie. Seine grössten Feinde, Irak und Syrien, liegen in Trümmern, viele sunnitische Golfstaaten haben heute recht enge Beziehungen zu Israel, zumindest militärisch. Und Iran ist geschwächt. Israel geht gestärkt hervor, und ich denke, das wird Boltons Message sein. Israel hat nicht viel zu befürchten. Die USA werden weiter an Israels Seite stehen.

Machen all diese Entwicklungen den Nahen Osten sicherer oder unsicherer?

Kommt darauf an, für wen. Die USA haben im Nahen Osten in den vergangenen 20 Jahren wild um sich geschlagen. Der Glaube, dass Regime-Wechsel der Region Demokratie, Stabilität und Wirtschaftswachstum bringen würde, war meiner Meinung nach weitgehend fehlgeleitet. Das sahen wir mit dem Sturz von Saddam Hussein in Irak, der Besetzung von Afghanistan, und in Libyen. Und wir sehen es auch im syrischen Abenteuer, das ebenso wenig zum Erfolg geführt hat. Ich glaube nicht, dass ein stärkeres militärisches Eingreifen der USA die richtige Antwort für mehr Stabilität im Nahen Osten ist. Vielleicht ist der Rückzug die beste Antwort. Nahöstliche Länder wie Syrien und Irak müssen sich selber helfen und einen Weg vorwärts finden ohne das US-Militär.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

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