Die USA sind zutiefst gespalten. Die einen bewundern Trump, die andern hassen ihn. Dazwischen gibt es wenig. Auch in der Aussenpolitik ist man sich uneins, wofür die USA stehen sollen. Eine Ausnahme ist der Spitzendiplomat Nicholas Burns. Für ihn macht Trump aussenpolitisch vieles falsch, doch längst nicht alles.
Dass sich die USA von Europa entfernen, dass Trump ständig die Nato und die EU kritisiert, hält Burns für falsch. Es laufe den US-Interessen zuwider. Die Militärallianz bleibe überlebenswichtig – für Europa wie für Nordamerika.
Es irritiert ihn, dass laut einer länderübergreifenden Umfrage des Forschungsinstituts Pew immer mehr Europäer das Vertrauen in die Nato verloren haben – und selbst das Prinzip in Frage stellen, dass im Notfall alle einem Partnerland des Bündnisses militärisch beistehen.
Es ist völlig absurd, wenn Trump die EU quasi als Feind der USA betrachtet.
Mangelndes Vertrauen in die Nato habe sehr wohl mit mangelndem Vertrauen in Trump zu tun. Gravierend sei daher, dass dieser das Aussenministerium völlig politisiert, mit Anhängern besetzt und die Profidiplomaten hinausgedrängt habe.
Er spricht von einer Krise – und ist überzeugt, Trumps Nachfolger müsse die riesige Schlüsselbehörde neu aufbauen. Burns ist indes überzeugt, dass Besserung komme. Entweder schon nach den Wahlen im Herbst oder aber nach vier weiteren Trump-Jahren.
Völlig absurd sei es auch, wenn Trump die EU quasi als Feind der USA betrachteten – obschon ein stärkeres, geeintes Europa traditionell gerade das Ziel der Amerikaner war. Doch Burns lehnt nicht alles ab, was Trump tut und sagt. Dass Europa mehr Verantwortung für sich selber übernehmen und sich vor allem militärisch nicht einfach auf die USA verlassen solle, findet auch er.
Ebenso beklagt er die Sorglosigkeit der Europäer im Umgang mit China, etwa indem sie beim Aufbau von 5G-Kommunikationsnetzen mit dem staatsnahen Huawei-Konzern kooperieren wollten oder bei der «Belt-and-Road»-Initiative, die primär dazu diene, China Einfluss in weiten Teilen der Welt zu verschaffen.
Burns steht sogar voll und ganz hinter Trump, wenn es darum geht, China auf dem Weltmarkt die Stirn zu bieten. Die Chinesen verletzten fortwährend die Regeln der Welthandelsorganisation WTO.
Und auch Burns wirft dem iranischen Regime vor, im Nahen Osten – im Jemen, im Libanon und vor allem in Syrien – Unheil anzurichten. Von der Art und Weise, wie Trump mit dem Iran-Problem umgehe, hält er indes wenig.
In manchen Fragen widerspricht Burns der US-Regierung gar fundamental. Gegenüber Wladimir Putin brauche es keinen Schmuse-, sondern einen Konfrontationskurs. Russland schaffe für den Westen grosse Probleme.
Trumps Nahost-Friedensplan ist ein Rohrkrepierer.
Völlig absurd findet er den «Friedensplan» Trumps für den Israel-Palästina-konflikt. Das sei ein Rohrkrepierer. Ein derart einseitiger Friedensvorschlag zugunsten Israels ohne jedes Mitwirken der Palästinenser sei von vornherein chancenlos.
Und er kritisiert Trump, wenn es darum geht, die grossen Konflikte im arabischen Raum beizulegen: In Libyen, in Syrien, im Jemen – Amerikaner wie Europäer hätten hier bisher versagt. Burns sieht ein stärkeres militärisches, hingegen ein entschlossenes diplomatisches Engagement als Rezept. Die USA und Europa gemeinsam.
Das Beispiel Burns zeigt: Es gibt noch differenzierte Stimmen in den USA. Auch in offiziellen Funktionen – im diplomatischen Apparat, im US-Parlament. Bloss sind es nicht die Stimmen, die derzeit den Ton angeben.
Echo der Zeit, 17.02.2020.