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US-Präsident attackiert WHO Trumps Krieg gegen das Coronavirus

Beim amerikanischen Präsidenten liegen die Nerven blank. Er schlägt wild um sich. An einem Tag greift er Journalisten an. Am nächsten seine eigenen Behörden. Und neuerdings die WHO. Sie habe in der Pandemiebekämpfung alles vermasselt. Sie habe wichtige Informationen verheimlicht. Sie mache sich zum Sprachrohr Chinas und vertrete dessen Interessen. Weshalb er nun droht, die US-Beiträge an die Weltgesundheitsorganisation zu stoppen.

Die Drohung ist beunruhigend für die WHO

Die Organisation finanziert sich zwar nur zu gut einem Viertel aus dem ordentlichen Budget, bei dem die USA der mit Abstand grösste Beitragszahler sind mit jährlich rund 120 Millionen Dollar. China zahlt weniger als die Hälfte. Neben den obligatorischen Länderbeiträgen erhält die UNO-Behörde umfangreiche freiwillige Zuwendungen. Doch diese schwanken und fliessen oft nur in spezifische Projekte. Dazu kommt: Die WHO ist chronisch unterfinanziert. Ihr Gesamtetat entspricht bloss jenem eines grossen Schweizer Kantonsspitals.

Die WHO kann Trumps Drohung nicht in den Wind schlagen. Seinen Drohungen, Organisationen den Rücken zu kehren, liess er bisher stets Taten folgen: Beim UNO-Menschenrechtsrat, bei der Unesco, beim Palästinenserhilfswerk Unrwa oder beim UNO-Bevölkerungsfonds. Dazu kommt: In Trumps Umfeld fehlen unabhängige Köpfe, die ihn von einem WHO-Exit abhalten würden. Mehrere republikanische Abgeordnete signalisieren Unterstützung für eine Zahlungsverweigerung.

Trumps Kritik findet keine Unterstützung

Kein Wunder, dass in der UNO Besorgnis herrscht und Generalsekretär Antonio Guterres sogleich der WHO bescheinigt, in der Corona-Krise hervorragend zu arbeiten. Auch die allermeisten Regierungen sowie viele Experten teilen diese Einschätzung. Praktisch niemand teilt Trumps Schelte, die WHO handle intransparent und habe Daten unterschlagen. Doch was ist mit dem Vorwurf, die WHO sei einseitig prochinesisch? Generell gilt: Die Organisation stellt kaum je einzelne Regierungen an den Pranger. Sie ist eine Regierungs- und keine Nichtregierungsorganisation. Offenkundig ist, dass China sein Gewicht in der WHO, wie überall in der UNO, zunehmend forsch in die Waagschale wirft. Und auffallend, ja peinlich war, wie sehr die WHO, vor allem am Anfang der Krise, Peking penetrant gelobt hat. Dafür gab es einen guten Grund: Sie musste unbedingt erreichen, dass die chinesische Führung umfassend kooperiert im Kampf gegen Corona.

Bewährungsprobe für die WHO

Problematisch an Trumps Drohung ist: Mit den USA rüttelt nun bereits die zweite Grossmacht am Verständnis, dass die WHO keine politische UNO-Organisation ist, sondern eine technische. China tut das seit Längerem, etwa indem es sich dagegen sträubt, Taiwan mitwirken zu lassen. Gerade in der aktuellen Pandemie-Krise ist es unhaltbar, ein 28-Millionen-Land auszuschliessen, das von Corona stark betroffen ist und zugleich Lösungswege aufzeigen kann.

Noch nie war die WHO so bedeutend wie gerade in dieser Gesundheitskrise, welche die ganze Welt erfasst. Sie zum Spielball machtpolitischer Absichten und Animositäten zu machen, ist gefährlich. Die Länder der Dritten Welt mit desolaten Gesundheitssystemen sind auf Gedeih und Verderb auf die Unterstützung der WHO angewiesen. Und weltweite Koordination und umfassender Informationsaustausch sind im Kampf gegen das Virus wichtiger als jemals zuvor.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Echo der Zeit 8.4.2020 18 Uhr

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