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US-Präsidentschaftsdebatte Trump gegen Biden: Unwürdiger Hahnenkampf mit Trump als Verlierer

Selbst der ansonsten unaufgeregten CNN-Kommentatorin kommt am Schluss nur noch das Wort «Shitshow» in den Sinn. Und die Washington Post schreibt von der «schlimmsten Debatte seit Menschengedenken». In der Tat: Es war anstrengend, es war schmerzhaft. Und für Trump könnte es ein verheerender Abend gewesen sein.

Trumps Taktik ist es offenbar, seinen Gegner so wenig wie möglich zu Wort kommen zu lassen. Von der ersten Minute an fällt er Biden immer wieder ins Wort. Es entsteht ein phasenweise kaum verständlicher Hahnenkampf mit wenig Substanz. Weder Trump noch Biden wirken dabei präsidial.

Biden hat seine besten Jahre hinter sich

Dabei bräuchte das Land zurzeit nichts mehr als eine Führungspersönlichkeit, die den Menschen Hoffnung verleihen kann. Es sind düstere Zeiten in den USA: Corona-Pandemie, Wirtschaftskrise, Umweltkatastrophen, Demonstrationen – und steigende Angst vor Gewalt im Umfeld der Wahlen.

Joe Biden gelingt es nur teilweise, Trumps aggressivem Gebaren mit Stil und Schlagfertigkeit zu begegnen. Er kann nicht verbergen, dass er seine besten Jahre längst hinter sich hat. Immer wieder verheddert er sich mit Zahlen, verliert während des Satzes den Faden.

Doch immerhin gelingt es Biden hin und wieder, etwas Menschlichkeit durchschimmern zu lassen. Wenn er über seine Söhne spricht, oder über die Opfer der Coronakrise. Helfen könnte Biden auch, dass er sich klar und deutlich gegen Gewalt im Umfeld von Demonstrationen ausspricht. Trump und konservative Medien versuchen seit Monaten, Biden als Freund von Chaoten darzustellen.

Auch wenn Biden wenig souverän auftritt, so kann er doch einen klaren Kontrast zu Trump aufzeigen. Klimawandel, Coronavirus, Steuerpolitik – überall will er ganz anders vorgehen als der aktuelle Präsident. Zugleich bleibt er mit seinen Vorschlägen moderat genug, um Wechselwähler in der Mitte nicht zu verprellen.

Trump fördert Angst vor Unruhen

Trump konnte sich derweil nicht einmal dazu überwinden, rechtsextreme Milizen glaubhaft zum Gewaltverzicht aufzufordern. Und er wiederholte einmal mehr falsche Behauptungen, bei der Briefwahl komme es zu massenhaftem Wahlbetrug. Er fördert damit erneut die Angst vor gewaltsamen Unruhen rund um die Wahl.

Es ist schwierig, nach diesem Hahnenkampf von einem Gewinner zu sprechen. Denn weder Trump noch Biden machen an diesem Abend eine gute Figur. Neue Fans dürften beide nur wenige dazu gewonnen haben.

Und doch muss man von einem Verlierer sprechen: Donald Trump. Er liegt in den Umfragen hinten und müsste neue Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen. Vor allem Frauen scheinen mehr und mehr genug zu haben von seinem Stil. Sie umzustimmen, dürfte ihm mit seinem unwürdigen Verhalten kaum gelungen sein.

Thomas von Grünigen

USA-Korrespondent, SRF

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Thomas von Grünigen ist seit Januar 2015 SRF-Korrespondent in New York. Zuvor arbeitete er in der «Rundschau»-Redaktion von SRF. Seine ersten Schritte im Journalismus machte er beim US-Sender ABC News und beim Lokalsender TeleBärn. Er hat an den Universitäten Freiburg und Bern sowie an der American University in Washington DC Medienwissenschaft, Journalistik und Anglistik studiert.

Tagesschau, 30.09.2020, 03:00

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