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Bedeutung der Wahlergebnisse «Die USA befinden sich an einem wirtschaftlichen Kipppunkt»

Die Demokraten in den USA konnten in den letzten Stunden gleich einige Siege feiern, während der Wahlabend für die republikanische Partei von Präsident Donald Trump bitter war. Was das für die Zukunft bedeutet, erklärt die Politologin Cathryn Clüver Ashbrook.

Cathryn Clüver Ashbrook

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Cathryn Clüver Ashbrook ist Politikwissenschaftlerin. Sie forschte viele Jahre an der Harvard Kennedy School in Cambridge in den USA. Inzwischen ist sie Spezialistin für die USA bei der Bertelsmann-Stiftung.

SRF News: Was bedeutet das Wahlergebnis für die politische Zukunft von Demokraten und Republikanern?

Cathryn Clüver Ashbrook: Es ist sicher ein Signal gegen Präsident Trump, denn es war ja die erste Wahl, bei der sich Amerikanerinnen und Amerikaner zu den Vorkommnissen in Washington äussern konnten. Die Demokraten haben überall abgeräumt – aber es bleibt unklar, welche Partei sie in Zukunft sein wollen: In New York gewinnt einer, der von sich behauptet, er sei demokratischer Sozialist.

Bei den Demokraten ist noch nicht geklärt, wo sie politisch hinwollen.

Die beiden Gouverneurskandidatinnen hingegen punkteten mit einer klaren Mitte-Politik, vor allem auch in Wirtschaftsfragen. Bei den Demokraten ist die Frage also noch nicht geklärt, wo sie politisch hinwollen und wie eine gute Oppositionspolitik aussehen soll.

Wie gut gehen die Demokraten mit der grossen politischen Spannbreite innerhalb ihrer Partei um?

Es gibt zwar viele und tiefgehende Diskussionen – in der Parteispitze und unter den Parlamentariern und Parlamentarierinnen. Doch die demokratischen Führungskräfte werden von den Wählern als sehr schwach wahrgenommen. In den einzelnen Anhörungen, der Komitee-Arbeit, machen die demokratischen Vertreter eine gute Figur, sie machen gute Oppositionsarbeit. Doch das sieht und hört keiner angesichts des aktuellen medialen Umfelds in den USA. Es ist also nicht klar, wie diese Demokraten die unabhängigen Wähler oder enttäuschte Trump-Wählerinnen wieder für sich einnehmen können. Es ist schwierig, an diese heranzukommen, vor allem auch, weil bei den Demokraten noch keine klare politische Linie abzusehen ist.

Die Demokraten müssen vor allem von ihrer Identitätspolitik wegkommen.

Gibt es immerhin Themen, auf die sich alle Demokraten einigen können – abgesehen von der Ablehnung Trumps?

Die Demokraten müssen vor allem wegkommen von der Identitätspolitik – also von der Politik, die bestimmte Gruppen ins Zentrum rückt. Die USA befinden sich an einem wirtschaftlichen Kipppunkt, die Regierung Trump hat in viel zu viele wirtschaftliche Bereiche eingegriffen. Wenn diese Politik ins Wanken gerät, weil die USA in eine Rezession rutschen, dann wäre Trump tatsächlich angezählt. Dann müssen die Demokraten bereit sein, mit Ideen, wie sie das Land wirtschaftlich wieder aufrichten wollen. Bedingung dafür ist allerdings, dass die Zwischenwahlen in einem Jahr noch normal funktionieren und klassische Wahlkampfarbeit möglich sein wird.

«Ein ganz gefährliches Spiel»

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«Die Republikaner haben inzwischen Angst, mitunter nicht mehr mit Ideen gewinnen zu können. Sie wollen sich Gewinne systematisch und systemisch absichern», sagt Cathryn Clüver Ashbrook. Und weiter: «Zum Beispiel werden Bundesstaaten in Androhung der Aberkennung von Geldern aus Washington dazu gezwungen, ihre Wahlregister nach Washington zu schicken – inklusive Angaben darüber, wer welche Partei wählt. Da geht es darum, Wähler zu drangsalieren. Da sind jetzt unglaublich viele Dinge ins Wanken gekommen. Es wird eine Art Poker gespielt mit dem System – das ist für die älteste verfassungsrechtliche Demokratie der Welt ein ganz gefährliches Spiel.»

Worüber sollten sich die Republikaner sorgen, nach dem Wahlergebnis vom Dienstag?

Wir sehen, dass in einem funktionierenden demokratischen System die Opposition Wahlen gewinnt, wenn die Regierungspolitik nicht goutiert wird. Doch für die von Maga unterwanderte Republikanische Partei kann das kein tolerabler Normalzustand mehr sein.

Die Republikaner wollen ins Wahlsystem eingreifen und sich so Mehrheiten sichern.

Deswegen sehen wir seit einem Jahr, wie am Wahlrecht geschraubt wird: Auf die Gouverneure wird sehr viel Druck ausgeübt, denn die 50 Bundesstaaten halten die Wahlen ja nach ihren eigenen, leicht unterschiedlichen Regeln ab. Die Republikaner wollen ins Wahlsystem eingreifen und sich so Mehrheiten sichern, die ihnen nach normalem demokratischem Prozess womöglich nicht mehr zustünden. Das wird jetzt immer dringender für sie, denn sie sehen, wie sich die Wähler zunehmend von ihnen und der Politik ihres Präsidenten abwenden.

Das Gespräch führte Christine Scheidegger.

Echo der Zeit, 5.11.2025, 18 Uhr ; 

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