In Arizona haben Zehntausende Menschen an der Trauerfeier für den erschossenen rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk teilgenommen. Es war eine Mischung aus Gottesdienst, persönlichen Trauerbotschaften, aber auch eine politische Demonstration. Einschätzungen dazu von Annika Brockschmidt. Die Journalistin beschäftigt sich intensiv mit der Trump'schen MAGA-Bewegung («Make America Great Again») und der religiösen Rechten in den USA.
SRF News: Wie sehr widerspiegelt die Trauerfeier den Zustand der USA?
Annika Brockschmidt: Die Trauerfeier war eine Mischung aus MAGA-Rallye, trumpesker Propagandaveranstaltung, Werbesendung für Kirks Jugendorganisation und Märtyrer-Verehrung. Es wurde auch der Grundstein für eine religiös getränkte Heldenverehrung Kirks gelegt.
Die Trauerfeier für Kirk zeigt vor allem, wie stark die amerikanische Rechte in der Rhetorik derzeit eskaliert.
Schon im Vorfeld der Trauerfeier wurde viel über «Spiritual Warfare» geschrieben – einen sehr real verstandenen Kampf zwischen rechtgläubigen Christen und Dämonen. Deshalb müsse man Kirk die «Rüstung Gottes» anlegen, hiess es etwa. Mit der Stimmung im Land hatte die Trauerfeier aber wenig zu tun – sie zeigt vor allem, wie stark die amerikanische Rechte in der Rhetorik derzeit eskaliert.
Was bezweckt die Trump-Regierung, wenn sie Kirk als Märtyrer hochstilisiert?
Ein Märtyrer ist ja für eine bestimmte Sache gestorben. Führende Stimmen in der MAGA-Bewegung versuchen jetzt, den Mord an Kirk als tiefgreifende Verschwörung einer irgendwie gearteten linksradikalen Bewegung zu sehen – und nicht als Tat eines Einzelnen. Kirk soll als Märtyrer auch zur Rekrutierung neuer MAGA-Anhänger genutzt werden. Zudem soll so staatliche Repression gegen die politische Opposition legitimiert werden.
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Bild 1 von 6. Zum Schluss der Veranstaltung lagen sich US-Präsident Donald Trump und Witwe Erika Kirk in den Armen. Bildquelle: Reuters/Daniel Cole.
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Bild 2 von 6. Der 31 Jahre alte Charlie Kirk war am 10. September bei einer Veranstaltung in Utah erschossen worden. Bildquelle: REUTERS/Daniel Cole.
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Bild 3 von 6. Die Gedenkfeier für Charlie Kirk fand im Stadion der «Arizona Cardinals» statt. Zehntausende Zuschauer nahmen teil. Bildquelle: Reuters/Callaghan O'Hare.
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Bild 4 von 6. Das Programm beinhaltete christliche Musik, Gebete und Gesang. Bildquelle: Keystone/AP Photo/Ross D. Franklin.
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Bild 5 von 6. Christliche Symbole waren an der Feier omnipräsent. Bildquelle: REUTERS/Carlos Barria.
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Bild 6 von 6. Die Besucher hielten unter anderem Schilder mit der Aufschrift «This is our Turning Point» in die Höhe. Bildquelle: REUTERS/Caitlin O'Hara.
Wie gross ist die Gefahr, dass kritische Stimmen in den USA eingeschränkt werden?
Das passiert bereits. Kirk wurde nach seinem Tod in den Medien als Verteidiger der Meinungsfreiheit dargestellt, was aber nicht zutrifft. So hat seine Organisation etwa eine «Professor Watchlist», auf der angeblich linkes Lehrpersonal an den Online-Pranger gestellt wird. Als Reaktion erhielten viele von ihnen Morddrohungen oder wurden entlassen.
Autoritäre Regime versuchen immer, ihre politischen Gegner zu kriminalisieren. Das sehen wir jetzt auch in den USA.
Der Mord an Kirk ist ein Vorwand, um den autoritären Crackdown jetzt zu eskalieren. Das alles schürt ein Gefühl der Angst und ist von Trump durchaus gewollt. Autoritäre Regime versuchen immer, ihre politischen Gegner zu kriminalisieren. Das sehen wir jetzt auch in den USA.
Werden Stimmen, die zur Einheit des Landes aufrufen, überhaupt noch wahrgenommen?
Wenig. Solche Aufrufe kommen praktisch nie von der Rechten. Diese dämonisiert vielmehr die «Linke» – auch wenn Exponenten der Demokraten die Ermordung Kirks allesamt verurteilt haben.
Erhält die MAGA-Bewegung durch die Mega-Trauerfeier jetzt Aufwind?
Interessant ist, dass die Leute ausserhalb einer bestimmten Bubble Charlie Kirk vor seinem Tod gar nicht gekannt hatten – das betrifft durchaus auch Anhängerinnen und Anhänger der MAGA-Bewegung. Deshalb sieht MAGA in der Ermordung Kirks durchaus eine Möglichkeit, diese zur politischen Aktivierung zu nutzen.
Bei der Trauerfeier war das ganze Kabinett anwesend – ein einmaliger Vorgang.
Laut Aussenminister Marco Rubio war bei der Veranstaltung das ganze Kabinett anwesend – ein einmaliger Vorgang. Denn Kirk war kein Politiker, kein gewählter Vertreter, kein Regierungsmitglied. Die Inszenierung seines Todes ist eine Art Heiligsprechung vor unser aller Augen – und der Versuch der Regierung Trump, eine weitere Eskalation autoritärer Massnahmen durchzusetzen.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.