Donald Trump sagte es selbst: Natürlich sei es möglich, dass Putin auf Zeit spiele. Aber das mache ihm nichts aus. In seinem Leben hätten schon manche versucht, ihn zu überlisten. Doch er sei dabei immer ganz gut weggekommen, so Trump.
Tomahawk als Druckmittel gegen beide Seiten
Dass der US-Präsident überhaupt über die Möglichkeit spricht, Tomahawk-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, ist tatsächlich eine Eskalation gegenüber Russland, die zu Beginn seiner Präsidentschaft undenkbar gewesen wäre. Auch wenn diese Eskalation vorerst rein rhetorisch ist – und es wohl bleiben wird. Denn auch wenn Trump eingesteht, dass Putin womöglich nur auf Zeit spielt, machte Trump klar, dass er Putin diese Zeit zumindest für den Moment weiter zugesteht.
«Wir werden über die Tomahawk-Marschflugkörper reden», so Trump vor dem Treffen mit Selenski. «Aber», so fügte er an, «es wäre mir lieber, wenn die Ukraine keine Tomahawk brauchen würde.» Gut möglich, dass Trump die Tomahawk-Diskussion vor allem nutzt, um beide Präsidenten an den Verhandlungstisch zu zwingen. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin, weil er solche weit reichenden Waffen in den Händen der Ukraine fürchtet. Und den ukrainischen Konterpart Wolodimir Selenski, weil er ohne sie zu schwach ist.
Trump und Selenski uneins
Auch wenn der US-Präsident und sein ukrainisches Gegenüber seit dem verunglückten ersten Treffen der beiden im Weissen Haus im Februar, das mit einem Hinauswurf Selenskis endete, inzwischen eine sehr viel bessere Beziehung pflegen, liegen sie doch in vielen Dingen weit auseinander. Trump sagte mehrmals, er glaube, Putin wolle einen «Deal» genauso wie er selbst. Für diesen Optimismus legte Trump zwar keine Gründe vor, aber er wiederholte seine Einschätzung mehrmals. Selenski hingegen sagt, Putin sei nicht an einem Frieden interessiert.
Dass Trump in seinem Post auf seinem eigenen Social-Media-Kanal Truth Social zudem schreibt, dass er Selenski «genauso wie Präsident Putin eindringlich angeregt» habe, dass «es Zeit sei, das Töten zu beenden», legt zudem nahe, dass sich Trump nach wie vor schwertut, zwischen Aggressor und Opfer zu unterscheiden.
Ukraine ist nicht Gaza
Trump zählte auch bei seinem Treffen mit Selenski all die Konflikte auf, die er beendet habe. Sowohl Selenski am Sitzungstisch als auch Putin am Telefon schmeichelten Trump als grossen Friedensstifter im Nahen Osten.
Der Unterschied zwischen den beiden Konflikten ist jedoch, dass im Nahen Osten alle entscheidenden Akteure – Israels Premier Netanjahu auf der einen Seite und Katar und Ägypten als Druck auf die Hamas ausübende Vermittler auf der anderen Seite – auf die eine oder andere Weise von den USA abhängig sind.
Russland ist geopolitisch ein ganz anderer Fall. Hier ist es Trump, der etwas will: nämlich Russland aus der chinesischen Einflusssphäre herauslösen. Deshalb ist Trumps Position gegenüber Putin eine andere als gegenüber den Akteuren im Nahen Osten.