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Utrecht in den Niederlanden Wenn eine Stadt voll aufs Velo setzt

Utrecht bezeichnet sich als Velohauptstadt Europas. Doch selbst hier stösst das Velonetz an seine Grenzen.

Das Parkhaus ist fast bis auf den letzten Platz besetzt. Und das, obwohl es das grösste der Welt ist – für Velos. 12’500 Velos finden auf drei Etagen beim Hauptbahnhof von Utrecht Platz. Eines davon gehört Geert van der Wilt. «Man steigt aus dem Zug, geht direkt ins Veloparkhaus einen Stock tiefer, nimmt sein Velo und fährt los», sagt der Strategieberater aus Utrecht, während er sein Velo aus der Parkbucht schiebt.

Das Velo prägt den Alltag der rund 380’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Etwa die Hälfte aller Wege in Utrecht wird mit dem Velo zurückgelegt. Der öffentliche Verkehr spielt dagegen eine Nebenrolle – zu bequem, zu schnell und zu direkt ist das Velo. «Utrecht ist keine allzu grosse Stadt. Man erreicht mit dem Velo fast alles innert einer halben Stunde», sagt van der Wilt, der täglich mit dem Velo unterwegs ist.

Stadt mit langer Velogeschichte

Dass das Velo heute dominiert, ist kein Zufall. «Der politische Kurs ist klar darauf ausgerichtet, den Veloverkehr als gute Alternative zu fördern – damit man praktisch überall hinkommt», sagt Maja van der Voet, Koordinatorin für Veloverkehr und Mobilität der Stadt. Breite, vom Autoverkehr getrennte Velorouten führen aus den Wohnquartieren direkt ins Zentrum. Laut Umfragen zeigen sich fast 90 Prozent der Bevölkerung zufrieden mit dem Velonetz.

Die Geschichte des Velos in Utrecht reicht weit zurück. Bereits 1885 wurde hier der erste Veloweg der Niederlande eröffnet. Schon in den 1920er-Jahren fuhren rund 100’000 Velos durch die Stadt – bei nur 150’000 Einwohnern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte jedoch auch Utrecht zunehmend auf das Auto. Velowege verschwanden, eine Autobahn führte mitten durch die Stadt. «Anfang der 1960er-Jahre wurden zahlreiche Strassen für Velos gesperrt», sagt der Historiker Hans Buiter. «Die kurzen Routen durch die Stadt waren den Autofahrern vorbehalten.»

Verkehrswende nach Protesten

Der Anstieg der Verkehrstoten löste in den Niederlanden Proteste gegen den zunehmenden Autoverkehr aus. Auch in Utrecht formierten sich Bürgergruppen – für mehr Verkehrssicherheit und gegen den Bau weiterer Autobahnen.

Es ist ein Erbe der 70er-Jahre – das Ergebnis einer Bewegung von unten.
Autor: Hans Buiter Historiker

Der Druck wirkte: Bereits in den 1970er-Jahren entschied die Stadt, dem Velo wieder mehr Platz zu geben. Eine entscheidende Weichenstellung für das heutige Netz. «Es ist ein Erbe der 70er-Jahre – das Ergebnis einer Bewegung von unten», sagt Buiter.

Zu volle Routen in der Rushhour

Heute wird laut Angaben der Stadt rund die Hälfte aller Wege im Stadtzentrum mit dem Velo zurückgelegt. Ganz verschwunden ist das Auto jedoch nicht: Rund ein Drittel der Wege wird weiterhin mit dem Auto unternommen. Autofahren wird von den Behörden aber bewusst unattraktiv gemacht. Viele Routen im Zentrum sind nur für Gewerbetreibende oder Busse freigegeben, Autofahrende müssen oft Umwege in Kauf nehmen.

Fahrräder fahren vor Geschäften in einer Stadtstrasse vorbei.
Legende: Vor allem morgens und abends wird es eng auf den Velorouten rund um den Utrechter Hauptbahnhof. SRF

Doch vor allem zu Stosszeiten wird es eng auf Utrechts Strassen. Die zentrale Route am Bahnhof gilt heute als meistbefahrene Velostrecke Europas. «Wir sehen, dass unsere Velorouten zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen stossen», sagt Verkehrskoordinatorin van der Voet. «Das führt dazu, dass sich manche Menschen nicht mehr trauen, mit dem Velo zu fahren.»

Die selbst ernannte Velohauptstadt Europas reagiert: Die Stadt will vermehrt in Veloumfahrungen investieren. Wer nicht ins Zentrum muss, soll künftig Tangentialrouten, welche die Hauptstrecke auslassen, nutzen können. Auch das lange vernachlässigte öV-Netz soll ausgebaut werden – um die Strassen zu entlasten.

10vor10, 22.12.25, 21:50 Uhr;liea

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