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Verbrechen in der Kolonialzeit Deutschland will Völkermord in Namibia anerkennen

  • Nach jahrelangen Verhandlungen will sich Deutschland mit seiner früheren Kolonie – dem heutigen Namibia – aussöhnen.
  • Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug Aufstände brutal nieder.
  • Zwischen 1904 und 1908 sind dabei gemäss Historikern rund 75'000 Menschen – Angehörige der Volksgruppen der Herero und Nama – getötet worden.
  • Die Bundesregierung will nun die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord anerkennen und die Nachfahren finanziell unterstützen.

«Als Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde, wollen wir Namibia und die Nachkommen der Opfer mit einem substanziellen Programm in Höhe von 1.1 Milliarden Euro zum Wiederaufbau und zur Entwicklung unterstützen», sagte Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD). Deutschland will zudem offiziell um Vergebung für die Verbrechen bitten.

Sechs Jahre für ein Schuldeingeständnis

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Warum hat es sechs Jahre gedauert, bis Deutschland eingestehen konnte, dass das Kaiserreich für Völkermord in Namibia verantwortlich war?

SRF-Deutschland-Korrespondent Peter Voegeli sagt dazu: «2016 hat der deutsche Bundestag eine Resolution verabschiedet, die von einem Völkermord an den Armeniern im osmanischen Reich gesprochen hat. Ankara war erbost und hat Deutschland auf seine Verbrechen in Afrika hingewiesen. So kam das Thema zur Sprache. Das Problem bei diesen Verhandlungen war erstens, dass Berlin auf einer moralischen und keiner rechtlichen Schuld beharrt und dass in dieser noch nicht veröffentlichten Erklärung von Hilfen und nicht von Entschädigungen die Rede ist. Zweitens hat Deutschland mit Namibia und nicht mit den Herero und Nama verhandelt hat.»

Zuvor hatten Delegationen beider Länder nach fast sechsjährigen Verhandlungen eine Einigung über eine gemeinsame politische Erklärung erzielt, der beide Regierungen nun zugestimmt haben. Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia.

Erstmals Eingeständnis eines Völkermords

Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika begingen die Kolonialherren einen Massenmord, der als erster Genozid des 20. Jahrhunderts gilt. Historikern zufolge wurden rund 65'000 von 80'000 Herero und mindestens 10'000 von 20'000 Nama getötet.

Die Bundesregierung will in dem Abkommen die Tötung Zehntausender Menschen in der Ex-Kolonie Deutschsüdwestafrika aus heutiger Sicht als Völkermord einstufen. Eine offizielle Bitte um Vergebung soll Berichten zufolge durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt im namibischen Parlament erfolgen.

Deutschlands Vergangenheit als Kolonialmacht

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Deutschland hatte sich ab 1884 Kolonien in Afrika, Ozeanien und Ostasien angeeignet. Es verfügte damit über das viertgrösste koloniale Gebiet und war Besatzungsmacht nicht nur in Deutsch-Südwestafrika (Namibia), sondern auch in Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika (Tansania), im chinesischen Tsingtao und auf Pazifikinseln. Die gewaltvolle Herrschaft der Deutschen führte zu Aufständen und Kriegen. Mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wurden ihre Kolonien dann unter den Siegermächten aufgeteilt.

Mit den 1.1 Milliarden Euro sollen über einen Zeitraum von 30 Jahren vor allem Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama gefördert werden. Dabei soll es um Landreform, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung gehen. Die Bundesregierung betont aber, dass sich aus ihrer Anerkennung des Völkermords und der Gründung des Hilfsfonds keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigung ergeben, sondern dass es um eine politisch-moralische Verpflichtung geht.

«Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen», sagte Maas. «Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden.»

Langwieriges Prozedere und namibische Kritik

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Hage Geingob an der UNO-Generalversammlung 2019 in New York.
Legende: Reuters

Die jetzt abgeschlossenen Verhandlungen hingen lange Zeit an der heiklen Frage einer finanziellen Entschädigung für koloniale Ausbeutung und Unterdrückung fest. Über lange Strecken muteten sie für Beobachter wie ein Geschacher um Bedingungen und Umstände für die längst überfällige Entschuldigungsgeste Deutschlands an.

Die Bundesregierung habe einer «bedingungslosen Entschuldigung» an die namibische Regierung, ihr Volk und die betroffenen Gemeinden zugestimmt, wolle aber nicht den Begriff «Reparationen» benutzen, hatte Namibias Präsident Hage Geingob noch im vergangenen August geklagt. Auch der Begriff «Heilung der Wunden» wurde als unzureichend abgelehnt.

Die gemeinsame Erklärung muss noch unterzeichnet werden. Maas betonte, dass dies aber keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit bedeute. «Die Anerkennung der Schuld und unsere Bitte um Entschuldigung ist aber ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten», betonte er.

PR-Coups Deutschlands?

Die Verhandlungen wurden von Beauftragten der beiden Regierungen geführt, die Herero und Nama waren aber eng eingebunden. Bei einigen Vertretern der Volksgruppen hatten erste Hinweise auf das Abkommen jedoch bereits Kritik ausgelöst. Es sei nichts weiter als ein PR-Coup Deutschlands und ein Akt des Betruges der namibischen Regierung, hatte es in einer Erklärung geheissen.

SRF 4 News aktuell, 28.05.2021, 05:00 Uhr ; 

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