Worum geht es? Das Natoland Norwegen steht offenbar unter Beobachtung des russischen Geheimdienstes. In der letzten Zeit haben sich Fälle gehäuft, die diesen Verdacht nahelegen. So sind in den vergangenen Wochen mehrfach Drohnen über kritischen Infrastrukturen wie Gas- oder Ölförder-Plattformen gesichtet worden. Das Filmmaterial von angeblich russischen Touristen zeigt Aufnahmen dieser kritischen Infrastrukturen. Weiter steht ein Mann unter dem Verdacht, unter falscher Identität für Russland spioniert zu haben.
Welche Interessen verfolgt der Kreml? Norwegen und vor allem Nordnorwegen wird zu einem geopolitischen Hotspot. Norwegen hat in der Arktis eine rund 200 Kilometer lange Grenze mit Russland. Zudem gibt es eine 3000 Kilometer lange Seegrenze zwischen Norwegen und Russland bis hinauf zum Nordpol. Dort liegt auch das Archipel Spitzbergen. Relevant sind Fisch, Öl, Gas und die Sicherheitspolitik. «Russland hat Interesse, zu erfahren, was auf norwegischer Seite passiert», erklärt Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann.
Welche Rolle spielt die Sicherheitspolitik? Die Arktis rückt sicherheitspolitisch in den Mittelpunkt. «Dieser Ort zwischen Russland und Norwegen ist dabei zentral», so Kaufmann. Auf norwegischer Seite hat man in den letzten Jahren eine grosse Überwachungsstruktur aufgebaut. Dabei hat Norwegen versucht, nicht direkt Rüstung, Waffen und Flugzeuge an der russischen Grenze zu stationieren. Auf der russischen Seite liegen grosse Militärbasen direkt an der Grenze. «Hier ist das Potenzial einer erhöhten Spannung sehr gross.»
Bereitet Russland Anschläge auf Plattformen oder Pipelines vor? Die Absichten sind nicht bekannt. Doch Kaufmann schätzt die Situation als bedrohlich ein. «Seit dem Ende des Kalten Krieges hat man dieses Gebiet in der Arktis, auch Nordnorwegen und Russland, als ein Hort der Stabilität wahrgenommen.» Über Jahrhunderte und Jahrtausende gab es nie Krieg zwischen Norwegen und Russland. «Deshalb ist das jetzt ein Anzeichen, dass man von der langfristigen Kooperation zu einer zunehmenden Konfrontation geht. Das ist natürlich sehr beunruhigend für Norwegen, aber auch für Europa.»
Wie reagieren die Norwegerinnen und Norweger? Die Öffentlichkeit sei ein bisschen geschockt über diesen Fall, so der Nordeuropa-Korrespondent. «Die Menschen fragen sich, ob es in der offenen Gesellschaftsstruktur in Norwegen noch weitere Fälle wie die an der Universität Tromsø gibt.» Viele Familien in Nordnorwegen haben einen russischen wie auch einen norwegischen Familienteil. Die Angst vor Stigmatisierung der Russischstämmigen besteht.
Wie reagiert Norwegens Regierung? Fachleute sind nicht überrascht über die Entwicklung. «Seit der Annexion der Krim durch Russland haben sich die Beziehungen zwischen Russland und Norwegen extrem verschlechtert», sagt Bruno Kaufmann. Man sei nicht mehr auf Vertrauen, sondern auf Misstrauen aus.» Deshalb hat Norwegen um Unterstützung durch Natopartner gebeten. So findet im Moment eine gemeinsame Übung mit der deutschen Marine statt.