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Präsident Biden befindet sich mit Israel in einem Dilemma
Aus SRF 4 News aktuell vom 14.03.2024. Bild: Keystone/Michael Reynolds
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Verhältnis USA-Israel «Biden muss in seiner Nahost-Politik einen Mittelweg finden»

Die USA wollen Hilfsgüter für Gaza übers Meer liefern. Damit versuche US-Präsident Joe Biden die Befreiung aus einer Zwickmühle, sagt der USA-Experte David Sirakov.

David Sirakov

David Sirakov

Politikwissenschaftler

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Der Politologe David Sirakov ist Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. Er befasst sich unter anderem mit der US-Innenpolitik mit besonderem Schwerpunkt auf die politische und gesellschaftliche Polarisierung, den Aufstieg des Populismus in Europa und den USA sowie mit der US-Aussenpolitik.

SRF News: Wieso bauen die USA unter grossem Aufwand einen Hafen vor Gaza, wenn die Lieferung von Hilfe auf dem Landweg eigentlich viel einfacher wäre?

David Sirakov: Das zeigt das Dilemma der Biden-Administration: jenes zwischen einer pro-israelischen Politik und einem israelischen Premier Benjamin Netanjahu, der sich etwas problematisch und renitent gebärdet. Und: Die USA sind im Wahlkampf – deshalb wirken dort zusätzliche, spezielle innenpolitische Probleme.

Hafenbau dauert bis zu zwei Monate

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Legende: So wird die Plattform erstellt, damit grosse Hilfsschiffe vor der Küste von Gaza anlegen können. Imago/U.S.Navy

Weil es im Gazastreifen keinen Hafen mit genügend grossem Tiefgang für grosse Schiffe mit Hilfslieferungen gibt, wollen die USA einen solchen, temporären Hafen bauen. Das allerdings wird nach Angaben des US-Militärs bis zu zwei Monate dauern und den Einsatz von rund 1000 Soldaten erfordern. Die US-Soldaten sollen in einiger Entfernung zur Küste einen schwimmenden Pier installieren, an dem von Zypern kommende Schiffe anlegen können. Von dort aus sollen die Hilfsgüter in kleinere Schiffe der US-Marine umgeladen und zu einem direkt an der Küste installierten Damm transportiert werden. Von dort wiederum sollen Güter per Lkw an Land gebracht und in Gaza verteilt werden. Wer die Verteilung der Hilfsgüter übernimmt und für die Sicherheit des Hafens verantwortlich ist, ist noch offen.

Warum können die USA als grösste Unterstützer Israels nicht mehr Druck machen, damit Israel mehr Hilfe für die Menschen in Gaza per Land zulässt?

Der Einfluss der USA auf die politischen und militärischen Entscheide Israels ist sehr begrenzt, und die Frustration in Washington angesichts Netanjahus Verhalten schon recht gross.

Biden fehlen die finanziellen Mittel, um Druck auf Netanjahu aufbauen zu können.

Die grosse innenpolitische Polarisierung in den USA bringt zudem das Problem mit sich, dass nicht mit einer Stimme gesprochen werden kann. Es fehlen auch finanzielle Mittel, mit denen Biden Druck auf Netanjahu aufbauen könnte.

Biden steht von Kreisen seiner eigenen demokratischen Partei unter Druck. Will er mit dem Hafenprojekt vor Gaza vor allem diese pro-palästinensischen, linken Demokraten besänftigen?

Das ist wohl seine Absicht. Biden muss einen Mittelweg finden: Bei Netanjahu beisst er auf Granit, wenn er mehr Hilfe über den Landweg fordert, gleichzeitig muss er seine wichtige, linke Wählerschaft bei der Stange halten, weil er sonst seine Wiederwahl aufs Spiel setzt. Hinzu kommt, dass Biden der ausgesprochen pro-israelischen Haltung der Republikaner etwas entgegensetzen muss.

Bidens innerparteiliches Dilemma

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Bei den demokratischen Vorwahlen in den letzten Wochen haben zahlreiche demokratische Wählerinnen und Wähler in verschiedenen US-Bundesstaaten explizit nicht für Biden gestimmt. «Das ist eine deutliche Warnung an die Biden-Administration», sagt David Sirkov. Vor allem in zwischen Demokraten und Republikanern umstrittenen Staaten wie Michigan oder Minnesota – in den entscheidenden «Swing States» also – spiele die muslimische und arabischstämmige demokratische Wählerschaft eine wichtige Rolle. Entsprechend müsse Biden dieser etwas anbieten, damit diese im November auch zur Urne geht und ihm die Stimme gibt.

Wie kommt Biden wieder aus der Zwickmühle heraus?

Er versucht es mit diesem Zwischenweg, zu dem die Hilfslieferungen übers Meer gehören. Laut den Umfragen in den USA ist die Unterstützung Israels zwar schon ein wichtiger Aspekt – doch der Gaza-Krieg ist an der öffentlichen Meinung nicht spurlos vorbeigegangen.

Auch Barack Obama oder Bill Clinton befanden sich bezüglich Israels in einem ähnlichen Dilemma wie jetzt Biden.

Biden muss also beide Seiten bedienen – eine sehr schwierige Situation. Im Übrigen befanden sich bezüglich Israels schon andere demokratische Präsidenten wie Barack Obama oder Bill Clinton in einem ähnlichen Dilemma wie jetzt Biden.

Symbolbild: Eine Frau kocht in den Trümmern zerbombter Häuser etwas zu essen.
Legende: Die Not ist gross im Gazastreifen. Über den Landweg gelangen zu wenig Hilfsgüter in den Küstenstreifen, deshalb bauen die USA vor der Küste eine behelfsmässige Anlegestelle für grosse Schiffe, die Hilfe ins Gebiet bringen sollen. Reuters/Mahmoud Issa

Hat Biden, was den Nahen Osten angeht, sein Versprechen, dass die USA unter ihm wieder ein aussenpolitisch verlässlicher Partner seien, gehalten?

In der Nahost-Politik nur bedingt. Sein Vorgänger Donald Trump hatte eine sehr pro-israelische Politik vertreten, sein Schwiegersohn Jared Kushner war quasi sein Nahost-Beauftragter. Er startete einige Initiativen in Nahost – und auch wenn diese wenig erfolgreich waren, führte das dazu, dass sich unter den Republikanern eine starke, uneingeschränkt pro-israelische Basis bildete.

Trump hatte nicht mehr Einfluss auf Netanjahu als jetzt Biden.

Das bedeutet aber nicht, dass Trump damit mehr Einfluss auf die israelische Regierung unter Netanjahu gehabt hätte – das ist ein Trugschluss. Biden hat wegen der Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern also innenpolitisch gar nicht so viel Spielraum, wie er bräuchte, um genügend Druck auf Israel ausüben zu können für einen effektiven Waffenstillstand.

Das Gespräch führte Raphaël Günther.

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland und im Gazastreifen halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

SRF 4 News aktuell, 14.3.2024, 06:20 Uhr;

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