Zum Inhalt springen

Header

Audio
Russland ist wirtschaftlich schwach: Trotzdem wäre es gerne eine Supermacht
Aus HeuteMorgen vom 22.11.2018.
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 52 Sekunden.
Inhalt

Verhindern statt gestalten «Russland will die etablierte Weltordnung aufbrechen»

Russland setzt immer wieder auf eine Politik der Blockade. Diese Woche beispielsweise wollte Russland zusammen mit China eine Stärkung der OPCW verhindern. Für Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF, ist dies Russlands Strategie – aus einer Position der Schwäche.

Fredy Gsteiger

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

Personen-Box aufklappenPersonen-Box zuklappen

Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

SRF News: Aus westlicher Sicht hat man den Eindruck, Russland setzt voll auf Verhinderungspolitik. Stimmt dieser Eindruck?

Fredy Gsteiger: Dieser Eindruck ist weitgehend richtig. Man muss aber fairerweise sagen, dass es beispielsweise im Syrienkonflikt eine bedeutende Ausnahme gibt: Nach den ersten Giftgaseinsätzen in Syrien war Russland federführend daran beteiligt, eine Resolution im UNO-Sicherheitsrat zu verabschieden, die zum Ziel hatte, das Waffenarsenal des Diktators zu beseitigen. Russland hat damit erfolgreich eine amerikanische Militärintervention gegen das Assad-Regime verhindert. In diesem einen Fall war Russland konstruktiv, in sehr vielen anderen Fällen ist es das nicht.

Warum ist Russland stets in dieser Oppositionsrolle?

Es gibt zwei Hauptgründe: Russland ist eigentlich ein relativ schwaches Land, vor allem auch wirtschaftlich. Russland möchte aber trotzdem in der Liga der Grossmächte mitspielen. Da ist es für ein vergleichsweise schwaches Land einfacher, Verhinderungspolitik als gestaltende Politik zu betreiben.

Es erlaubt Russland Einfluss aus einer Position relativer Schwäche heraus zu nehmen.

Der zweite Grund: Wer Ideen auf der internationalen Bühne durchsetzen will, braucht Alliierte. Das war lange Zeit die Stärke der Vereinigten Staaten. Unter Präsident Trump ist es dies nicht mehr so sehr. Vor diesem Hintergrund ist eine Verhinderungsstrategie für Russland der richtige Weg. Es erlaubt Russland, Einfluss aus einer Position relativer Schwäche heraus zu nehmen.

Es geht nur um Machtpolitik und nicht um Inhalt?

Das ist so. Es betrifft allerdings nicht nur Russland, sondern auch andere Länder, die sich oft so verhalten. Und es ist natürlich eine Sache der Betrachtungsweise. Russland würde argumentieren, dass es in Syrien sehr wohl um Inhalte geht. Konkret ging es darum, den Sturz von Präsident Assad zu verhindern.

Syrien ist das eine. Letzte Woche aber verhinderte Russland eine Burma-Resolution. Mit welchem Interesse?

Es ist ein typischer Fall, der zeigt, dass das Zusammenspiel zwischen den beiden grossen Mächten China und Russland im Moment sehr gut funktioniert. China hat Russland in der Syrien-Politik weitgehend unterstützt, und Russland unterstützt nun China weitgehend in Burma-Politik.

Die üblichen Verbündeten spannen also zusammen, egal worum es geht?

Das kann man so sagen. China und Russland wollen im Moment die etablierte Weltordnung aufbrechen und eine weniger westlich geprägte Weltordnung durchsetzen. Sie sehen im Moment sozusagen die Chance des Jahrhunderts, das zu tun, weil Europa schwächelt und vor allem, weil sich die Amerikaner ein Stück weit vom Multilateralismus und damit auch von UNO-Bühne verabschiedet haben.

Wenn es den UNO-Sicherheitsrat nicht gäbe, was wäre die Alternative?

Macht der UNO-Sicherheitsrat überhaupt noch Sinn, wenn sich Russland und der Westen gegenseitig blockieren?

Das ist die grosse Frage. Andererseits, wenn es den UNO-Sicherheitsrat nicht gäbe, was wäre die Alternative? Eine bessere Alternative hat noch niemand vorgeschlagen. Es ist ja nicht das erste Mal in der Geschichte, dass der UNO-Sicherheitsrat in wichtigen Fragen blockiert ist. Und es gibt durchaus auch andere Beispiele. Es gibt Bereiche wo der UNO-Sicherheitsrat in den vergangenen Jahren relativ gut funktioniert hat – beispielsweise bei der Sanktionspolitik gegenüber Nordkorea.

Das Gespräch führte Romana Costa.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel

Nach links scrollen Nach rechts scrollen

67 Kommentare

Navigation aufklappen Navigation zuklappen
  • Kommentar von Alex Volkart  (Lex18)
    Die restliche Welt funktioniert nicht ohne Russland genauso wenig wie Russland ohne die restliche Welt funktioniert. Es geht nur gemeinsam. Das haben wohl beide Seiten vergessen.
  • Kommentar von Hans Bernoulli  (H.Bernoulli)
    Die "etablierte Weltordnung" bricht sich selber auf in einer nie dagewesenen Schulden- und Vermögensorgie. Da muss Russland nichts anderes dazu tun, als nicht auf die Provokationen hereinzufallen. Der Westen braucht einen äusseren Feind zur Ablenkung vor den eigenen Problemen.
    1. Antwort von Alex Volkart  (Lex18)
      An Herr Bernoulli: Den Westen, wie Sie Ihn nennen, gibt es nicht. Nur in der russischen Propaganda. Natürlich wird Russland teilweise von anderen Regierungen missbraucht um von eigenen Problemen abzulenken, aber nicht nur. Dies sollte auch Ihnen klar sein.
  • Kommentar von Wolfgang Bortsch  (a2b3c4d5)
    Nun , bitte was versteht man unter “Etablierter
    Weltordnung“?
    Sich gegenseitig in ungezählten Auseinandersetzungen umzubringen ?
    Sollte dies jemandem “nicht so ganz recht sein“ ,
    so wäre dies zu verstehen !
    1. Antwort von Hans Bernoulli  (H.Bernoulli)
      Für alle ersichtlich ist die "etablierte Weltordnung" eine Weltordnung in der eine Nation ungestraft Angriffskriege beginnen, ungestraft Terror unterstützen, ungestraft Foltergefängnisse unterhalten, ungestraft alle auspionieren und ungerechtfertigte Sanktionen bestimmen kann.
    2. Antwort von Alex Volkart  (Lex18)
      An Herr Bernoulli: So wie ich Sie deute meinen Sie damit die USA. Was machte dann Russland in der Ukraine, in Georgien, in Syrien? In Syrien unterstützt Russland ein Regime das nicht von Terror und Folterung zurückschreckt. In einem Punkt gebe ich Ihnen aber recht. Sanktionen die Herr Trump gegen den Iran ausgesprochen hat, sind nicht sehr glaubhaft wenn noch schlimmere Regime wie die Saudis verschont werden.
    3. Antwort von Peter Mueller  (Elbrus)
      Besagte Weltordnung ist schon untere Bill Clinton untergegangen so etwa 1995.
    4. Antwort von Hans Bernoulli  (H.Bernoulli)
      Ukraine, Georgien und Syrien: diese Kriege wurden nachweislich vom Westen aus provoziert. In Georgien vom McCain-Freund Saakaschwili. In der Urkaine vom Maidan-Putsch (Nuland Tel., Aussage Obama u.a. belegen den US-unterstützten Putsch). In Syrien wurde von den USA und deren Allierten ein regime-change versucht (siehe Operation Timber Sycamore), Russland ist erst später zur Verteidigung des Landes gegen Islamisten der Assad-muss-weg-Koalition in den Krieg eingetreten. Alles Fakten.