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Vertrauenskrise in Berlin Der Stein in des Kanzlers Schuh

Friedrich Merz und sein Fraktionschef Jens Spahn trauen sich nicht über den Weg. Das verhindert geräuschloses Regieren.

Jens Spahn ist ehrgeizig. In seinem Abiturbuch steht dem Vernehmen nach bei «Berufswunsch»: «Bundeskanzler, was sonst?». Er ist zwar erst 45, sitzt aber schon seit 23 Jahren im Bundestag, war im Kabinett IV von Angela Merkel Gesundheitsminister und ist seit Mai Fraktionschef der CDU.

Sein Job ist es, dem Kanzler bei Abstimmungen im Bundestag Mehrheiten zu organisieren, die Fraktion auf Linie zu halten. Doch Spahn hat seine Truppe nicht im Griff.

Patzer in Serie

Das fing schon mit der peinlichen Panne bei der Kanzlerwahl an. Friedrich Merz erhielt im ersten Wahlgang keine Mehrheit. Ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Merz lief ins offene Messer, weil Spahn das laute Grummeln in seiner Fraktion offenbar nicht mitbekommen hatte.

Jens Spahn.
Legende: Jens Spahn sollte dem Kanzler im Bundestag den Rücken freihalten. Bislang mit überschaubarem Erfolg. Keystone/EPA/Clemens Bilan

Viele Unionsmitglieder waren wütend und enttäuscht über Merz‘ 180-Grad-Kehrtwende bei der Schuldenbremse. Dann kam die Ersatzwahl ans Bundesverfassungsgericht. SPD und Union hatten sich auf Frauke Brosius-Gersdorf geeinigt. Bis rechte Echokammern eine Schmutz- und Verleumdungskampagne lostraten und darauf Dutzende Unions-Abgeordnete der Richterin ihre Stimme nicht mehr geben wollten.

Jens Spahn hielt sich immer für den besseren Friedrich Merz.
Autor: Michael Bröcker Autor und Journalist

Wieder hatte Spahn die Stimmung in der Fraktion falsch eingeschätzt, erst Stunden vor der Wahl zog er die Notbremse. Ähnlich aus dem Ruder liefen die Diskussionen um die Wehrpflichtreform, um Waffenlieferungen an Israel und um einen empathischen Satz des eigenen Aussenministers in einem verwüsteten Vorort von Damaskus.

Rivalität statt Loyalität

Es wäre an Fraktionschef Jens Spahn, solche Diskussionen zu befrieden, Abweichler einzufangen. Dass er mit dieser Rolle fremdelt, liegt möglicherweise an eigenen Ambitionen. «Jens Spahn hielt sich immer für den besseren Friedrich Merz», erklärt Michael Bröcker, Autor seiner 2018 erschienenen Biografie. Damals galt Spahn als Kandidat für das Amt des CDU-Vorsitzenden und als Kanzlerkandidat.

Beides erledigte sich durch die Corona-Pandemie. Und durch die Kanzlerambitionen von Friedrich Merz. Doch die Logik, dass Spahn nun Merz‘ Regieren torpediere, um ihm als Kanzler nachfolgen zu können, die hinkt gewaltig. Mit einem schlechten Job als Fraktionschef würde sich Spahn ja wohl kaum für ein höheres Amt qualifizieren.

Pufferfunktion

Wegen seiner Patzer ist Spahn der sprichwörtliche Stein in des Kanzlers Schuh. Trotz gegenseitigem Misstrauen und handwerklichen Fehlern ist Merz aber auf ihn angewiesen. Einerseits braucht der Kanzler Spahns Regierungserfahrung, seine Analysefähigkeit. Andererseits fungiert Spahn als «Buhmann für all das, was im Gebälk, im Maschinenraum der Regierung Merz falsch läuft», wie Bröcker es formuliert. Als Puffer, um den Kanzler aus der direkten Schusslinie zu nehmen.

Spahn und Merz
Legende: Der Kanzler und der Fraktionschef: Im Rentenkrach mit der Jungen Union soll Spahn die Wogen glätten. Keystone/DPA/Michael Kappeler

So spielt Merz dem Fraktionsvorsitzenden auch beim derzeitigen Gezerre um das Rentensystem den Ball zu. Die Junge Union droht dem Kanzler die Gefolgschaft bei der Sicherung des Rentenniveaus zu verweigern. Mit ihren 18 Stimmen sind sie ein Machtfaktor in einer Koalition, die nur über eine knappe Mehrheit von 12 Stimmen verfügt.

Spahn muss die Jungen nun dazu bringen, im Bundestag dem Rentenpaket zuzustimmen. Und dieses Mal ist Scheitern verboten. Ein Ausscheren der Union hätte das Potenzial, die schwarz-rote Koalition zu sprengen.

10 vor 10, 25.11.2025, 21:50 Uhr

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