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Verurteilter Kardinal Pell Gottes rechter Feldmarschall

Australiens Konservative sind entrüstet, denn trotz seiner Verurteilung bleibt Kardinal George Pell für sie ein Held.

Kaum war das Urteil Ende Februar gegen Kardinal George Pell bekannt, klingelte beim einst höchsten Vertreter der katholischen Kirche in Australien das Telefon. Am Apparat war der frühere Premierminister Tony Abbott.

Der konservative Politiker sprach Pell sein Vertrauen und seine Unterstützung aus. Wenig später attestierte Ex-Premierminister John Howard dem verurteilten Pädophilen in einem Brief an das Gericht hohe Intelligenz und «einen exemplarischen Charakter».

In den konservativen australischen Medien ist die Kritik am Urteil nicht abgerissen. Eine Lawine von Vorwürfen donnerte täglich auf die Geschworenen ein, auf das Gericht, ja, das Justizsystem als Ganzes. Der prominente Murdoch-Kommentator Andrew Bolt wetterte, Pell sei unschuldig und das Opfer eines historischen Versagens des Systems.

Ranghöchster verurteilter Katholik

Mit Pell, Kurienkardinal und ehemaliger Finanzverantwortlicher des Vatikans, ist der bisher ranghöchste Vertreter der katholischen Kirche wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden. 1996 habe sich der damalige Erzbischof an zwei 13-jährigen Chorknaben vergangen.

Pell weist die Vorwürfe vehement zurück und hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Eine weitere Klage gegen ihn war von der Staatsanwaltschaft nicht weiterverfolgt worden. Seit Ende Februar sitzt der Kardinal in Haft.

Für die politisch und gesellschaftlich starke Rechte war und bleibt der Kardinal eine Art Feldmarschall, der im Namen Gottes und der Moral gegen progressive Strömungen in der Gesellschaft das Schwert führt.

Gegen Sex predigen

Im Gegensatz zu anderen Geistlichen in Australien hat Pell nie Zweifel daran gelassen, wie er politisch steht: streng rechts, konservativ, sozial regressiv. «Er baute seine Karriere damit auf, gegen Sex zu predigen», sagt David Marr.

Der bekannte australische Journalist verfolgt den Aufstieg von Pell seit Jahren und hat ein Buch geschrieben. «Er bleibt in seinen Aussagen einfach und brutal», meint der Autor. «Unnachgiebigkeit» habe Pell unter Konservativen «zu einer Berühmtheit gemacht».

«Brutal gegen Homosexuelle»

Pell habe den «Krieg gegen Sex und sexuelle Freiheit geführt, während er selber Kinder missbrauchte», so Marr. Der Gottesmann sei «besonders brutal gegen Homosexuelle gewesen». Pell predigte mit donnernder Stimme gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Führender Klimaskeptiker

Pell war zudem als Mitglied der Organisation Institute of Public Affairs (IPA) jahrelang einer der Architekten konservativer Politik in Australien. Das Institut hat sich in den vergangenen Jahren vor allem einen Namen als Verbreiterin von Klimaskepsis gemacht. Auch bei diesem Feldzug nahm Pell eine führende Rolle ein. Mit seiner Haltung sprach er führenden Klimaleugnern in Australien aus dem Herzen – sie sahen sich durch Pell moralisch legitimiert.

Pells Einfluss auf die Politik hält bis heute an. Auch unter dem gegenwärtigen Premierminister Scott Morrison wehrt sich die konservative Regierung – durchsetzt mit Pell-hörigen Klimaskeptikern – gegen jegliche wirksamen Massnahmen der Emissionskontrolle.

Bei Papst Franziskus zumindest stiess der Kardinal mit seiner harten Position indes auf wenig Verständnis. Der Heilige Vater warf den australischen Kurienkardinal im letzten Jahr kurzerhand aus der Gruppe der päpstlichen Klimaberater.

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