Es waren nur wenige Sätze, aber sie entfalteten eine gewaltige Sprengkraft. Ein Moderator verwies auf eine Hotline des Fernsehkanals. An diese könne man sich mit Informationen zur Situation der russischen Soldaten an der Front wenden: «Wir hoffen, dass wir vielen Soldaten helfen konnten, zum Beispiel mit Ausrüstung und mit dem Elementarsten an der Front.»
Darauf brach in den sozialen Netzwerken ein Sturm der Empörung los. Eine ukrainische Aktivistin schrieb etwa: ein russischer «Oppositions»-Kanal sei stolz darauf, russischen Soldaten zu helfen: «Diese Liberalen verstehen folgendes nicht: Je mehr russische Mobilisierte an Hunger sterben, desto weniger Ukrainer können sie töten. Es ist Krieg!».
Auch Krim-Karte sorgte für Kritik
Noch in der Nacht versicherte der Chefredaktor von «Doschd», man leiste keinerlei Hilfe für die russische Armee, die Aussagen seien missverständlich formuliert gewesen. Und die Nachrichtenchefin bekräftigte: Man halte diesen Krieg für ein Verbrechen. Äusserungen, die an dieser Haltung Zweifel erweckten, seien nicht zulässig. Deshalb habe man beschlossen, sich vom Moderator zu trennen und entschuldige sich.
Doch damit war die Sache nicht erledigt. Die lettische Medienaufsicht teilte mit, sie habe eine Untersuchung eingeleitet – auch weil «Doschd» einmal eine Karte gezeigt habe, in der die annektierte ukrainische Halbinsel Krim als Teil Russlands eingezeichnet gewesen sei. Sogar der Inlandgeheimdienst schaltete sich ein und wies darauf hin, dass jegliche Unterstützung des Aggressors Russland unzulässig sei.
Heute dann kam die Mitteilung, dass die Medienaufsicht dem Sender die Lizenz entzogen hat. Der Chef der Medienaufsichtsbehörde sagte: Man sei in Kontakt zum Geheimdienst und habe Hinweise darauf, dass die nationale Sicherheit Lettlands bedroht sei. «Doschd» habe eine Karte mit der Krim als russisches Territorium gezeigt, ausserdem sei die russische Armee wiederholt als «unsere Armee» bezeichnet worden – so auch im letzten Fall, in dem der Moderator seine Unterstützung für die russische Armee zum Ausdruck gebracht habe.
Balanceakt im baltischen Exil
Der Entscheid ist ein Warnsignal für all die anderen russischen Exil-Medien, die sich in Riga niedergelassen haben. Sie sind lediglich geduldete Gäste, die sich keine Fehler erlauben dürfen, auch wenn sie – wie Doschd – seit Jahren engagierten und seriösen Journalismus betreiben und medial gegen das Putin-Regime ankämpfen.
Denn je länger Russlands Krieg gegen die Ukraine dauert, desto mehr verhärten sich die Fronten. Die baltischen Staaten haben sich hundertprozentig auf die Seite der Ukraine gestellt. Und sie fühlen sich selbst von Russland bedroht. Da gibt es nur noch Weiss und Schwarz, für oder gegen die Ukraine. Grautöne liegen nicht drin, auch nicht in der journalistischen Arbeit. Ein Sender wie «Doschd», der im Baltikum stationiert ist, sich aber an ein russisches Publikum richtet und sich ihm verpflichtet fühlt, versucht schon per se einen schwierigen Balanceakt. Die Absturzgefahr, so zeigt sich, ist gross.