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Wahlen im Bann von Tiktok Medien entwirren Teile des Tiktok-Problems in Rumänien

Am Sonntag findet der zweite Präsidentenwahlgang statt. Grund für die Verzögerungen waren Manipulationen per Tiktok.

Es tönt wie Eigenlob, wenn die rumänische Journalistin Julia Rosu sagt: «Die unabhängigen Journalisten haben letztes Jahr viel gearbeitet. Sie waren die treibende Kraft dahinter, Dinge aufzudecken, die während der Wahlen geschahen.» Doch sie hat wohl recht. Und ihre Redaktion, das junge Investigativportal «Snoop», hatte einen grossen Anteil daran.

«Snoop» veröffentlichte kurz nach dem überraschenden Wahlerfolg des weitgehend unbekannten Calin Georgescu Ende November mehrere aufsehenerregende Recherchen. Sogar die Behörden bezogen sich in ihrem Entscheid, die Wahlen zu annullieren, darauf.

Recherche bringt Vorgehen an den Tag

Eine grosse Recherche zeigt, wie der Boden für den dubiosen Extremisten Georgescu bereitet wurde. Wie es dazu kommen konnte, dass zwei Millionen Menschen jemandem die Stimme gaben, der behauptete, mit Ausserirdischen kommuniziert zu haben und warnte, dass Männer keine Hüte, Frauen dagegen keine Hosen tragen sollten – dies wegen kosmischer Energien.

«Sie haben zahlreiche Publikationen, Influencer und auch Werbung entdeckt, die mit russischem Geld finanziert worden sind», sagt Rosu. Diese hätten Fake News und Verschwörungserzählungen sowie Impfkritik und Inhalte über alternative Medizin verbreitet. Und das schon seit acht bis zehn Jahren.

Doch dann verbreiteten dieselben Quellen plötzlich politische Inhalte. Extreme Inhalte, auch religiöse. Und sie begannen, Calin Georgescu zu erwähnen und zu bewerben. Das fiel auf fruchtbaren Boden.

Diese Finanzierung ging schief

Für noch mehr Aufsehen sorgte eine andere Recherche der Journalistinnen und Journalisten von «Snoop». Sie wiesen nach, dass die Tiktok-Kampagne von Georgescu unter anderem von einer der regierenden Parteien finanziert wurde: von den Nationalliberalen. Obwohl diese einen anderen Kandidaten ins Rennen geschickt hatten.

Zerrissene Wahlplakate an blauer Wand.
Legende: Am 18. Mai haben die Rumäninnen und Rumänen die Wahl: Wollen sie den 38-jährigen Ultranationalisten George Simion (links) ins Staatspräsidentenamt hieven oder doch lieber einen Pro-Europäer: den Bürgermeister von Bukarest, Nicusor Dan (rechts)? EPA/Robert Ghement

Die Steuerbehörde bestätigte, dass die Nationalliberalen diese Werbekampagne auf Tiktok bezahlt hatten. Das Kalkül dahinter, so vermutet man: Durch die Förderung der Bekanntheit von Georgescu wollten die Nationalliberalen ein Schreckgespenst heraufbeschwören, um so ihrem eigenen Kandidaten im zweiten Wahlgang zum Sieg zu verhelfen.

Doch es kam anders: Ihr Kandidat landete auf dem fünften Platz und die Wahlen wurden annulliert.

Grosser Schaden für die Demokratie

Die Nationalliberalen machen zwar geltend, sie seien Opfer eines Betrugs geworden. Doch das ist nicht sehr glaubwürdig. Vielmehr nährte der Vorfall das Misstrauen, das viele Rumäninnen und Rumänen sowieso gegenüber den etablierten Parteien hegen.

Bis heute sind all diese Manipulationen nicht restlos aufgeklärt. Sie wisse nicht, was die Behörden alles in der Hand hätten, meint Rosu. Auch der russische Einfluss sei nicht vollständig nachgezeichnet und offengelegt worden.

Dazu kam: Die Wahlen wurden zuerst von den Behörden für gültig erklärt und wenige Tage darauf annulliert. «Das hat der Demokratie geschadet, und es hat die Polarisierung der Gesellschaft noch verstärkt», sagt Rosu. Auch müssten die sozialen Medien, vor allem Tiktok, unbedingt stärker reguliert werden. Auch müssten die Jugendlichen den Umgang damit lernen.

Rosu weist aber darauf hin, dass alle demokratischen Länder gefährdet sind, in denen Wahlen und Abstimmungen von Plattformen wie Tiktok manipuliert werden können – oder bereits manipuliert worden sind.

Rendez-vous, 16.5.2025, 12:30 Uhr;liea

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