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Vorgezogene Parlamentswahl in Kroatien
Aus Tagesschau vom 16.04.2024.
Bild: SRF/Janis Fahrländer abspielen. Laufzeit 2 Minuten 39 Sekunden.
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Wahlen in Kroatien Kroatien: Anti-Korruption als Wahlkampf

Heute wählt Kroatien ein neues Parlament. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu spektakulären Korruptionsfällen in der Regierungspartei. Die Opposition hat deshalb im Wahlkampf voll auf das Thema Korruption gesetz. Ob sie damit Erfolg haben wird, ist jedoch fraglich.

Ihr sei nicht bewusst gewesen, welch gravierende Folgen das Ganze haben werde, sagt Adrijana Cvrtila. «Ich war etwas naiv.» Cvrtila lebt in der Kleinstadt Kutina. Dort arbeitete sie im Unternehmen, das für die lokale Müllverarbeitung zuständig ist und der Gemeinde gehört. Am Ende war sie die Geschäftsführerin der Firma.

Adrijana Cvrtila
Legende: Adrijana Cvrtila gehörte einst selbst der liberalen HSLS an. Der politische Druck jedoch stieg, und schliesslich wollte sie die Missstände öffentlich machen. SRF/Janis Fahrländer

In dieser Position wurde von ihr immer wieder verlangt, gewisse Leute, die Verbindungen in die lokale Politik haben, im Unternehmen zu belassen oder einzustellen. Verlangt wurde dies vom Bürgermeister und einzelnen Mitgliedern des Gemeinderates.

Allesamt waren damals Teil der Regierungspartei HDZ oder deren Koalitionspartner, der liberalen HSLS, der Cvrtila damals ebenfalls angehörte. Zu Beginn habe sie sich an die Anweisungen gehalten. Doch mit der Zeit habe der Druck stetig zugenommen. Irgendwann entschied sie sich, die Missstände öffentlich zu machen.

Die Korruptionsaffäre verändert ihr Leben

Was danach folgte, prägt die Frau bis heute. Adrijana Cvrtila verlor ihre Arbeitsstelle. Die vier beschuldigten Personen aus der Politik wurden verhaftet, darunter auch der Bürgermeister. Doch während sie bis heute keine Arbeit hat, wurden die vier verhafteten Personen nach kurzer Zeit wieder freigelassen. «Für sie gab es keine wirklichen Konsequenzen».

Der Bürgermeister ist immer noch im Amt, wurde allerdings aus seiner Partei ausgeschlossen. Vor Gericht hat er Rekurs eingelegt: Die von Cvrtila als Beweis genutzte Tonaufnahme sei illegal. Die nächste Instanz verschleppt bislang das Urteil. Cvrtila dagegen sah sich gleich mit neun Klagen wegen Verleumdung konfrontiert. Dank der Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern wurde sie aber freigesprochen.

Typischer Fall in Kroatien

Dieser Fall und die Reaktion der Politik seien typisch für die grassierende Korruption im Land, sagt der Investigativjournalist Andrej Dimitrijevic: «Es ist eine Epidemie». Die Regierungspartei sichere sich so Stimmen im Tausch gegen lukrative Arbeitsstellen in öffentlichen Unternehmen.

Andrej Dimitrijevic
Legende: Investigativjournalist Andrej Dimitrijevic spricht im Hinblick auf die Korruption im Land von einer «Epidemie». SRF/Janis Fahrländer

Dimitrijevic deckt durch seine Arbeit immer wieder spektakuläre Korruptionsfälle auf. Manche reichen bis in die Regierung.

System der Korruption

Die Regierungspartei HDZ dominiert die Politik Kroatiens seit der Unabhängigkeit. In dieser Zeit hat sie sich, so Andrej Dimitrijevic, ein regelrechtes System aufgebaut. Das Schlimmste sei aber, dass sich die Leute daran gewöhnt hätten. Er glaube daher nicht, dass sich mit einem Machtwechsel gross etwas ändern würde.

Nationalkonservative versus Sozialdemokraten

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Amtsinhaber Andrej Plenkovic strebt eine dritte Amtszeit an. Seine nationalkonservative Partei HDZ ist die dominierende Kraft im Land. Seit der Unabhängigkeit des Landes war sie fast durchgehend an der Macht. In dieser Zeit hat sich die Partei ein System der Korruption aufgebaut, das neben der Politik auch die Justiz umfasst.

Plenkovic selbst ohne Korruptionsskandale

In den ersten beiden Amtszeiten Plenkovics mussten 30 Minister und Ministerinnen zurücktreten. Die meisten davon wegen Korruptionsvorwürfen. Die Reaktion von Plenkovic: eine Verschärfung des Gesetzes für Whistleblower. Plenkovic selbst ist bislang allerdings in keine Korruptionsskandale verwickelt.

Der Präsident, der eigentlich nicht kandidieren darf

Der grosse Widersacher Plenkovics – Präsident Zoran Milanovic – setzt im Wahlkampf voll auf das Thema Korruption. Dabei ist er gar nicht offizieller Kandidat. Als Präsident darf er laut Verfassung nicht als Premierminister kandidieren. Das hindert ihn aber nicht daran, in seiner Rolle als Präsident munter Wahlkampf zu betreiben und bei einem allfälligen Wahlsieg der Sozialdemokraten das Amt des Regierungschefs anzustreben.

Wohl keine Partei mit eigener Mehrheit

Laut Umfragen liegt die HDZ derzeit vor der SDP. Doch am Ende dürfte keine Partei eine eigene Mehrheit erlangen. Dann wird sich zeigen, wem es gelingt, mit den kleineren Parteien eine Koalition zu schmieden.

Auch Adrijana Cvrtila glaubt nicht an die Versprechen der Opposition. Wegen ihrer Erfahrungen glaube sie nicht, dass die Politik das Korruptionsproblem wirklich lösen wolle. Cvrtila will jedenfalls weiterkämpfen – einerseits vor Gericht, aber auch in ihrer Organisation zum Schutz von Whistleblowern, die sie vor zwei Jahren gegründet hat.

Tagesschau, 16.04.2024, 19:30 Uhr

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