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Wahlen mitten im Bürgerkrieg Myanmar: Der Widerstand steht vor einer Zerreissprobe

Erstmals seit dem Putsch vor fast fünf Jahren finden in Myanmar Parlamentswahlen statt – inmitten des Bürgerkriegs. Für die Widerstandsbewegung ist das eine schlechte Nachricht. Eine Reportage aus der thailändischen Grenzstadt Mae Sot.

Thinzar Mya lässt sich nicht einschüchtern. Immer wieder bekommt die Mutter von drei Kindern anonyme Drohungen. Er wisse, wo sie wohne, schreibt ihr einmal jemand. Sie solle schweigen. Doch Thinzar Mya will nicht schweigen.

Nach dem Militärputsch im Februar 2021 kündigt Thinzar Mya ihren Job als Richterin beim Staat und schliesst sich der Widerstandsbewegung an. Als sie später verhaftet werden soll, flieht sie mit ihren Kindern und ihrer Mutter ins benachbarte Thailand. Mehrere Tage dauert die Flucht, zuerst durch das Landesinnere, schliesslich nachts über den Grenzfluss.

Die thailändische Grenzstadt Mae Sot ist ein Zufluchtsort für viele Burmesinnen und Burmesen. Thinzar Mya berät von hier aus Rebellenkämpfer zu Rechtsfragen. Das Leben im Exil ist hart. Thinzar Mya lebt mit ihrer Familie auf engstem Raum in einer Blechhütte. Doch die Juristin hat ein Ziel: «Ich möchte in Würde arbeiten und ich möchte, dass die Gerichte unabhängig sind.» Heute unter der Herrschaft der Junta sei beides nicht möglich.

Thinzar Mya kämpft für ein freies und demokratisches Myanmar. Ein Land, in dem auch Minderheiten respektiert werden. Myanmar ist ein Vielvölkerstaat mit 135 anerkannten Ethnien. Das sorgt für Spannungen. Viele Menschen in Myanmar würden diskriminiert, so Thinzar Mya – nicht nur von der Militärjunta.

Die Juristin geht mit Menschen aus den eigenen Reihen hart ins Gericht. «Manche, die sich der Revolution angeschlossen haben, haben ihre Denkweise nicht geändert. Sie haben weiterhin Vorurteile gegenüber ethnischen und religiösen Gruppen. Sie sprechen von Demokratie, aber sie wollen nicht, dass alle daran teilhaben.»

Der Menschenrechtsaktivist Thet Swe Win gehört zu den führenden Köpfen des Widerstands im thailändischen Exil. Er kämpft gegen die Diskriminierung von ethnischen Minderheiten und für den Dialog innerhalb der Widerstandsbewegung.

Menschen, die sich ihr angeschlossen haben, verfolgen zwar ein gemeinsames Ziel: das Ende der Militärherrschaft. Doch bei der Frage um die Zukunft Myanmars gehen die Visionen auseinander.

Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, dass die Widerstandsgruppen mit einer Stimme sprächen. Die Uhr der Revolution ticke, sagt Thet Swe Win. «Wir stehen am Scheideweg. Wenn wir es jetzt nicht schaffen, alle unsere politischen und revolutionären Gruppen zu vereinen und mit einer Stimme zu sprechen, brechen wir auseinander.»

Am 28. Dezember haben in Myanmar die Parlamentswahlen begonnen. Es sind die ersten seit dem Militärputsch vor fast fünf Jahren. Die meisten Oppositionellen sitzen im Gefängnis oder sind ins Ausland geflohen. Die Junta dürfte mit den Wahlen versuchen, den Widerstand zu spalten, um so ihre eigene Macht zu festigen, so Thet Swe Win. Das macht ihm Sorgen.

Doch was könne der Widerstand aus dem Exil dagegen tun? Zum Boykott aufrufen? «Es ist einfach für uns, von hier aus den Menschen im Land zu sagen: Geht nicht wählen. Aber was können sie schon tun? Man wird sie dazu zwingen.»  Thet Swe Win macht sich keine Illusionen. Der Weg zu einem freien Myanmar wird lang. Doch aufgeben ist weder für ihn noch für Thinzar Mya eine Option. Sie wollen so lange weitermachen, bis die Revolution beendet ist. Der Tag werde einmal kommen, daran haben sie keine Zweifel.

Tagesschau, 26.12.2025, 19:30 Uhr

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