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Wahlkampf-Auftritt in Tulsa Das Coronavirus vermasselt Trumps Kampagnen-Start

Es sollte ein triumphaler Neubeginn sein: In einem vollen Stadion in Tulsa wollte Präsident Trump seinen Wahlkampf nach dreimonatiger Zwangspause wiederbeleben. Zehntausende, die kein Ticket mehr ergattern konnten, sollten die Rede auf Grossleinwänden im Freien vor der Halle schauen. Trump wollte zeigen: Das Coronavirus ist unter Kontrolle, die Wirtschaft kann wieder florieren.

Doch dann wurde Trump von der Realität eingeholt. In den Tagen vor seinem Auftritt schnellten die Corona-Fallzahlen in Oklahoma in die Höhe, ähnlich wie in anderen Bundesstaaten. Auf allen Kanälen warnten Gesundheitsexperten vor einer Teilnahme an dem Event. Das Ansteckungsrisiko sei extrem hoch.

Viele leere Plätze

Und ein paar Stunden vor der Rede verbreitete sich eine weitere Hiobsbotschaft: Sechs Angehörige des Kampagnenteams in Tulsa waren positiv auf Corona getestet worden. Die Gefahr rückte in bedrohliche Nähe der Veranstaltung. Das blieb nicht ohne Wirkung. Tausende Plätze in der Halle blieben leer. Die zusätzlichen Grossleinwände hätte es nicht gebraucht. Eine Schmach für Trump, der sehr grossen Wert auf die Grösse seines Publikums legt.

Eine Million Fans hätten sich um Tickets für den Event bemüht, hatte der Präsident im Vorfeld getwittert. Doch die grosse Mehrheit von ihnen schien die Warnungen der Gesundheitsexperten höher zu gewichten als Trumps Lockruf. Kein gutes Zeichen für den Präsidenten, dessen Umfragewerte im Zuge von Coronakrise und Polizeigewalt unter Druck geraten sind.

Wurde Trump Opfer von Störaktion auf TikTok?

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Nutzer der Social-Media-App TikTok behaupten, sie hätten mit einer gezielten Störaktion zum mässigen Publikumsaufmarsch in Tulsa beigetragen. Auf der App und anderen sozialen Medien hatte sich in den letzten Tagen ein Aufruf rasend verbreitet: Die Nutzer sollten Gratis-Tickets für Trumps Rede bestellen, dann aber nicht erscheinen.

Einfluss der Störaktion unklar

Laut der New York Times standen unter anderem junge Anhänger koreanischer Popmusik, sogenannte K-Pop-Fans, hinter der Aktion. Der Aufruf verbreitete sich rasend schnell und erreichte mehrere Millionen Nutzer. Die Aktion könnte dazu beigetragen haben, dass Trumps Wahlkampf-Team das Interesse an der Rede überschätzte. Doch wie viele Nutzer tatsächlich Tickets bestellten und wie gross der Einfluss der Störaktion tatsächlich war, ist zurzeit schwer zu eruieren.

Die Trump-Kampagne bestreitet, dass die Aktion die Teilnehmerzahl beeinflusst habe. Zweifelhafte Anmeldungen würden systematisch ausgefiltert.

Ungelöste Coronakrise

In seiner Rede gelingt es ihm nicht, einen Ausweg aufzuzeigen. Bei der Polizeigewalt gegen Schwarze setzt Trump weiterhin auf die simple Botschaft von «Recht und Ordnung». Die anwesenden Fans bekommen Trumps gewohnte Hasstiraden gegen die Medien und die «linksradikalen» Demokraten zu hören. Konstruktive Ansätze fehlen weitgehend.

Trump hatte gehofft, in Tulsa die Zeit nach Corona einläuten zu können - das «Great American Comeback». Stattdessen ruft der Event in Erinnerung, wie tief die USA nach wie vor im Corona-Schlamassel stecken. Im Unterschied zu manchen europäischen Ländern fehlte es stets an einer nationalen Strategie gegen das Virus. Jetzt rächt sich dies.

Die Trump-Kampagne steckt in der Bredouille: Die Auftritte vor seinen Fans sind wichtig für den Präsidenten. Sie feuern die treue Fanbasis an, auf die er angewiesen ist. Sie ermöglichen es Trump, die Schlagzeilen zu dominieren und einen Kontrast zum vorsichtigen Kontrahenten Joe Biden aufzuzeigen.

Doch nach dem harzigen Start stellt sich die Frage, ob er seine Wahlkampfauftritte wie geplant wieder regelmässig durchführen kann, so lange die Fallzahlen in manchen Gegenden des Landes so hoch bleiben. Das Wahljahr 2020 läuft für ihn weiterhin nicht ideal.

Thomas von Grünigen

USA-Korrespondent, SRF

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Thomas von Grünigen ist seit Januar 2015 SRF-Korrespondent in New York. Zuvor arbeitete er in der «Rundschau»-Redaktion von SRF. Seine ersten Schritte im Journalismus machte er beim US-Sender ABC News und beim Lokalsender TeleBärn. Er hat an den Universitäten Freiburg und Bern sowie an der American University in Washington DC Medienwissenschaft, Journalistik und Anglistik studiert.

SRF 4 News, 21.6.20, 06:00

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