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Weite Teile lahmgelegt Bahnstreik in Deutschland – SBB mit Ersatzkompositionen

  • Ein voraussichtlich sechstägiger Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) legt weite Teile des Bahnverkehrs in Deutschland lahm.
  • Dies ist der vierte Arbeitskampf der Lokführergewerkschaft GDL.
  • Die SBB empfiehlt, Reisen nach oder durch Deutschland auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben.
  • Auf dem Schweizer Streckenabschnitt werden die ausgefallenen grenzüberschreitenden Verbindungen mehrheitlich durch Ersatzkompositionen ersetzt, so die SBB gegenüber SRF.

Der Streik hat am Dienstagabend im Güterverkehr und am frühen Mittwochmorgen im Fern- und Regionalverkehr der Deutschen Bahn begonnen. Der Notfahrplan für den Personenverkehr sei in der Nacht auf Mittwoch stabil angelaufen, sagte eine Bahnsprecherin am Morgen am Berliner Hauptbahnhof. Wie schon bei den vorigen Streiks fallen laut Bahn ungefähr 80 Prozent der Fernzüge aus. Auch im Regionalverkehr gebe es erhebliche Einschränkungen, sagte die Sprecherin.

Doch die SBB Deutschland führt ihren Regionalverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland weiter fort. Das teilte das Tochterunternehmen der SBB auf Anfrage von SRF News mit. Es sei denn, die Infrastruktur der Deutschen Bahn würde bestreikt. Dies sei aber bei den vergangenen GDL-Streiks nicht der Fall gewesen. Ausserdem biete die SBB Deutschland zusätzliche Verbindungen an, so zum Beispiel täglich acht Züge mehr auf der Strecke Basel-Freiburg (DE).

Streikende Lokführer stehen vor dem Leipziger Hauptbahnhof am 10. Januar 2024
Legende: Ein Ausweg aus der Konfrontation zurück an den Verhandlungstisch ist derzeit nicht absehbar: Mitglieder der Gewerkschaft streikten bereits am 10. Januar in Leipzig. Keystone / JAN WOITAS

Vom GDL-Streik in Deutschland ist auch der Güterverkehr betroffen. Es kommt zu erheblichen Einschränkungen. «Auch der europäische Güterverkehr über die Alpen, nach Polen oder Skandinavien sowie die Seehäfen in den Niederlanden oder Belgien sind betroffen», teilte die Deutsche Bahn weiter mit. Bereits vor dem Streik sei ein deutlicher Mengenrückgang registriert worden, weil viele Kunden Transporte abbestellt hätten.

Deutsche Industrie rechnet mit massiven Ausfällen

Unternehmen drohten harte Einschränkungen bis hin zu einzelnen Produktionsausfällen, Drosselungen und Stillständen in der Industrie, sagte Tanja Gönner, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Bei einem sechstägigen Streik ist eine Schadenshöhe von insgesamt bis zu einer Milliarde Euro nicht unrealistisch.»

Ersatzkompositionen fahren in der Schweiz

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Die SBB schreibt auf Anfrage von SRF:

«Bis 29. Januar fallen voraussichtlich aufgrund des Streiks in Deutschland praktisch alle grenzüberschreitenden Verbindungen von und nach Deutschland aus. Vereinzelt kann es bis zum 30. Januar zu Einschränkungen kommen. Die SBB empfiehlt, Reisen nach oder durch Deutschland auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben. Reisende haben die Möglichkeit, ihre Reise zu verschieben und das Ticket früher oder später zu nutzen.

Ebenfalls betroffen sind die Nachtzüge bis und mit 28. Januar, die nach oder durch Deutschland verkehren. Betroffene Kunden mit einer Reservierung können sich vorab zwecks Umtauschs oder Erstattung der Reise an ihre Verkaufsstelle oder das SBB Contact Center wenden. Die Railjets und Nachtzüge via Österreich sowie der EC nach Graz verkehren planmässig.

Auf dem Schweizer Streckenabschnitt werden die ausgefallenen grenzüberschreitenden Verbindungen mehrheitlich durch Ersatzkompositionen ersetzt, sodass der inländische Verkehr möglichst nicht betroffen ist. Auf dem Schweizer Streckenabschnitt verkehren die Züge zurzeit [Anm. d. Red.: Stand 12 Uhr] planmässig.»

    Der Ausstand auf der Schiene soll bis Montagabend um 18 Uhr andauern. Der vierte Arbeitskampf der GDL im laufenden Tarifstreit mit dem bundeseigenen Konzern sei «der längste in der Geschichte der Deutschen Bahn», sagte die Sprecherin. 136 Stunden soll er im Personenverkehr andauern, 144 Stunden im Güterverkehr. Der Streik umfasst erstmals im aktuellen Konflikt auch ein komplettes Wochenende.

Viele Streikkundgebungen geplant

    Die GDL hat für die nächsten Tage zu mehreren Streikkundgebungen aufgerufen, zu denen auch der Gewerkschaftsvorstand erwartet wird. Demonstriert werden soll am Donnerstag etwa in Stuttgart, wo GDL-Chef Claus Weselsky erwartet wird, sowie in Nürnberg, Hamburg, Erfurt und Halle/Saale. Für Freitag sind Aktionen unter anderem in Berlin und Dortmund geplant.

59 Prozent haben kein Verständnis für Lokführerstreik

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Der sechstägige Streik der Lokführergewerkschaft GDL stösst einer Umfrage zufolge in der deutschen Bevölkerung überwiegend auf Ablehnung. 59 Prozent haben kein Verständnis dafür, wie eine Erhebung von YouGov ergab. 34 Prozent haben demnach Verständnis für den Ausstand. Das Institut befragte nach eigenen Angaben 4124 Personen in Deutschland ab 18 Jahren. Die Ergebnisse sind demnach repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

    In einem Brief an die Bahn vom Mittwoch hat die GDL ihre Tarifforderungen erneuert und manche konkretisiert. So wird etwa ein konkreter Zeitplan für die geforderte Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden ohne finanzielle Einbussen bis 2028 vorgeschlagen. Es ist die Kernforderung der Gewerkschaft und der Knackpunkt im Tarifkonflikt.

SBB springt auf DB-Linie Basel-Freiburg i.Br. ein

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Trotz des Bahnstreiks bei der Deutschen Bahn DB fahren zwischen Basel Badischer Bahnhof und Freiburg im Breisgau täglich acht Züge . Nicht die üblichen DB-Regionalzüge, sondern FLIRT-Züge der SBB Deutschland GmbH, die sonst Linien am Bodensee und um Basel abdeckt.

Das Land Baden-Württemberg habe die deutsche Tochter der SBB angefragt, die bereits einen Netzzugang habe, erklärt die SBB Deutschland auf Anfrage. Das sei schon 2015 bei einem Streik so praktiziert worden, und zudem biete das Unternehmen auch Sonderzüge an, etwa von Freiburg an den Basler Fasnachts-Morgestraich. Wegen der Sonderverbindungen sei der Betrieb der lokalen Linien der SBB GmbH nicht tangiert.

Die Züge waren am Mittwoch proppenvoll – aus dem Badischen fahren täglich zehntausende Pendler zur Arbeit in die Region Basel, viele davon per Bahn. Passagiere lobten die Ersatzzüge: «Die Schweiz rettet Deutschland und schaut, dass ihre Grenzgänger zur Arbeit gehen können», sagt einer. Ein anderer: «Super Lösung! Aber verlasst Euch nicht darauf, dass es andersrum auch funktioniert.»

Ein Lokführer der SBB Deutschland, der einen Sonderzug aus Freiburg lenkte, äusserte Verständnis für seine streikenden Kollegen, deren berechtigte Forderungen (35 statt 38 Stunden pro Woche bei gleichem Lohn) die DB ablehne. Er habe kein schlechtes Gewissen, weil er selber ja mit besserem Lohn unterwegs sei.

Gregor Frei, Geschäftsführer der SBB Deutschland GmbH, sieht sich ebenso wenig als Streikbrecher, weil sein Unternehmen mit eigenen Leuten fahre. Anders sieht es die streikende Gewerkschaft GDL, welche die SBB-Deutschland-Ersatzzüge gegenüber deutschen Medien als Streikbruch kritisiert hat.

SRF 4 News, 22.01.2024, 03:00 Uhr ; 

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