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Weltmedienkongress in Wien Pressefreiheit in Gefahr: Wenn Demokraten von Diktatoren lernen

Nicht mehr nur in Diktaturen steht es schlecht um die Pressefreiheit. Das zeigt der Weltmedienkongress in Wien.

«Immer mehr demokratisch gewählte Regierungen übernehmen das Drehbuch autoritärer Regime», sagt Khadija Patel. Die südafrikanische Journalistin ist Präsidentin der Medienfreiheitsorganisation International Press Institute, dem auch SRF angehört.

Etwa in Zentralamerika. «Die Demokratie wird stufenweise abgewickelt», klagt Carlos Dada, Gründer des Nachrichtenplattform «El Faro» und mehrfach preisgekrönter Journalist aus El Salvador. «Die Methoden sind stets dieselben. Führer mit autoritären Neigungen lernen voneinander.»

Entzug von Werbung und Klagewellen

Ein beliebtes Mittel ist der Entzug von Werbeaufträgen. Regierungen gehören vielerorts zu den wichtigsten Anzeigenkunden. «Mit dem Entzug von Werbung schwächen sie kritische Redaktionen, nicht zuletzt jene wenigen, die Kapazitäten für investigativen Journalismus haben», erzählt die kenianische Medienfrau Asha Mwilu, die dies vor den jüngsten Präsidentschaftswahlen in ihrem Land beobachtet hat.

In der Türkei und anderswo kauften die Machthaber gleich den Grossteil der Medien auf. Mit dem Ergebnis, dass in der aktuellen Wahlkampagne Staatschef Recep Tayyip Erdogan ein Vielfaches der Medienpräsenz erhält als sein Herausforderer. Beliebt ist auch, Medien massenhaft mit Klagen einzudecken. «Ich selber bin von den Söhnen des früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro verklagt worden – und habe den Fall verloren», schildert die Journalistin Daniela Pinheiro.

In unzähligen Ländern wird Journalismus immer häufiger kriminalisiert.
Autor: Carlos Dada Journalist aus El Salvador

Regierungen können sich viel teurere Anwälte und lange Verfahren leisten als die meisten Medienunternehmen. «Medienleute werden wegen angeblicher Verleumdung verfolgt, sobald sie deutliche Kritik an der Obrigkeit üben», so Arif Zulkifli aus Indonesien.

Journalistin protestiert in Tunis gegen die Einschränkung der Medienfreiheit der durch die Regierung (Februar 2023).
Legende: Die Pressefreiheit ist zwar in internationalen Abkommen und in sehr vielen nationalen Verfassungen garantiert. Dennoch steht es weltweit schlecht um sie. Bild: Journalistin protestiert in Tunis gegen die Einschränkung der Medienfreiheit der durch die Regierung (Februar 2023). Hasan Mrad/DeFodi Images via Getty Images

Gern werden auch Steuerdelikte vorgeschoben. «De facto und in unzähligen Ländern wird Journalismus immer häufiger kriminalisiert», sagt Carlos Dada. Zum Instrumentarium gehören zudem Einschüchterung, Schikanen, Schmierenkampagnen gegen Journalisten. Mitunter gar Haft und Folter.

«Regierungskampagnen – mal offene, mal verdeckte», beobachtet der indische Chefredaktor Siddharth Varadarajan. «In sozialen Medien hetzen solche Kampagnen die Bevölkerung gezielt gegen Journalistinnen und Journalisten auf.»

Aufgeben ist keine Option

Trotz alledem: «Aufgeben, nachgeben, das geht einfach nicht – obschon es sicherer und bequemer wäre», fordert Carlos Dada. «Erstaunlicherweise hat gerade der wachsende Druck in Zentralamerika den Journalismus sogar besser gemacht.» Wichtig auch: internationale Solidarität unter Medienschaffenden. Oder: Unterstützung durch potente Anwaltsnetzwerke. Und: Das journalistische Handwerk so solide wie möglich zu betreiben, um Gegnern nicht unnötig Munition zu liefern.

Schliesslich: Eine klare Haltung zeigen. Aleksandra Sobczak, Vize-Chefredaktorin der polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza», sagt es so: «Als junge Journalistin im demokratischen Polen dachte ich, es sei entscheidend, keine Position zu beziehen.» Inzwischen sehe sie das anders. «Neutralität ist illusorisch, wenn es um Grundwerte, um Freiheit, Demokratie oder Völkerrecht geht.»

«Hoffnungslosigkeit ist kein Rezept, wir müssen, ja wir können kämpfen», schliesst die Südafrikanerin Khadija Patel. In mehr und mehr Ländern regen sich also Gegenkräfte – oft mit dem Mut der Verzweifelten.

Rendez-vous, 26.05.2023, 12:30 Uhr

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