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Weltraumschrott als Gefahr «Zero Waste» im Weltall: Forscher fordern Putzkommando

Im Orbit herrscht reger Verkehr – und höchste Kollisionsgefahr. Jetzt soll ein internationaler Vertrag her.

Zu Land, zu Wasser, und nun auch im All: Der Mensch breitet sich immer weiter aus – und hinterlässt dabei nicht nur harmlose Fussabdrücke, sondern auch viel Müll. So auch in der Erdumlaufbahn. Wie eng es im Orbit inzwischen geworden ist, zeigte sich Anfang März. Die Raumstation ISS musste in eine andere Umlaufbahn bugsiert werden, um einen Zusammenstoss mit Weltraumschrott zu vermeiden.

Raumstation ISS
Legende: Derzeit befinden sich mehr als 35’000 Flugkörper im All, die grösser als zehn Zentimeter sind. Inaktive Satelliten, alte Raketenendstufen, unzählige Trümmer rasen als Müll mit 30‘000 Stundenkilometern um die Erde und gefährden Mensch und Technik. Keystone/AP/Nasa

Thomas Schildknecht, Professor für Astronomie an der Universität Bern, spricht von einem seriösen Problem: «Satelliten müssen sehr oft Weltraumschrott ausweichen.»

Crashs mit fatalen Folgen

Kollisionen im Weltraum können fatale Folgen haben – auch auf der Erde. Die umherfliegenden Trümmerteile bedrohen nämlich satellitengestützte Dienste wie GPS, Wettervorhersage oder Kommunikationssysteme.

Raumstation ISS
Legende: Trümmerteile etwa von stillgelegten Satelliten gelten als ein ernstes Problem für die Raumfahrt. Für die ISS war es den Angaben zufolge bereits das 334. Ausweichmanöver seit ihrem Bestehen. Keystone/AP/Nasa (Archiv)

Jetzt rufen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Handeln auf: Es brauche einen verbindlichen globalen Vertrag, damit die Erdumlaufbahn nicht zur Abfalldeponie verkommt.

So viel Weltraumschrott fliegt durch den Orbit

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Weltraumschrott besteht aus Weltraumgegenständen, die nicht mehr funktionieren, sich aber noch immer in der Erdumlaufbahn befinden. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA zählte im Dezember 2022 rund 9'780 Satelliten im All, davon sind ungefähr 2700 nicht mehr funktionstüchtig. Ausserdem befanden sich zu diesem Zeitpunkt rund 36'500 Objekte in der Umlaufbahn der Erde, die grösser sind als 10 cm. Die ESA zählte zudem eine Million Objekte in der Grösse von 1 cm bis 10 cm und gar 130 Millionen Objekte, die bis 1 cm gross sind.

Weltraumschrott entsteht auch durch Raketenstarts. Dabei werden auch unnütze Teile mit ins All geschossen, etwa Raketenstufen. Den Grossteil der Schrottteile stammt allerdings von zwei Kollisionen. Einerseits hat China 2007 bewusst mit einer Rakete einen ausrangierten Wettersatelliten abgeschossen. Das Vorhaben funktionierte, sowohl Satellit als auch Rakete zersplitterten aber in Tausende Teile. Ausserdem kam es 2009 zu einem nicht gewollten Zusammenstoss: Der US-Satellit Iridium 33 kollidierte mit dem russischen Satelliten Cosmos 2251, der nicht mehr umgeleitet werden konnte. Die beiden Unfälle sind Grund für gut 17'000 grosse Trümmerteile. (odem)

Richtlinien zur Vermeidung von Weltraumschrott gibt es zwar bereits seit mehr als zehn Jahren – abgesegnet von der UNO. Diese beschränken sich aber laut Schildknecht auf recht «generische Vorgaben»: So sollen etwa keine Objekte im Orbit zurückgelassen oder Explosionen verhindert werden.

Ozean-Abkommen als Vorbild

«Nun sollen einzelne Länder, die Lizenzen für Satelliten herausgeben, diese Richtlinien in Gesetzgebungen umsetzen müssen», fasst der Astronom die Forderung der Forschungsgemeinde zusammen. Es brauche jetzt Gesetze, die Fehlverhalten sanktionieren und die Reinhaltung des Weltraums fördern und belohnen.

In der Luftfahrt und der Hochseeschifffahrt existieren vergleichbare internationale Verträge. Jüngst konnte nach jahrelangen Verhandlungen auch ein Abkommen zum Schutz der Ozeane verabschiedet werden – ein historischer Erfolg.  

In der Raumfahrt erhofft sich der Schweizer Astronom einen ähnlichen Durchbruch. Dort gehen die letzten verbindlichen Verträge auf das Jahr 1967 zurück. «Seither gibt es nur noch unverbindliche Richtlinien.» Schildknecht macht sich allerdings keine Illusionen: In naher Zukunft dürfte es kaum rechtlich bindende Vorgaben für ein sauberes All geben.

Wir müssen jetzt möglichst schnell eine Null-Weltraumschrott-Politik implementieren.
Autor: Thomas Schildknecht Professor für Astronomie, Universität Bern

Schildknecht plädiert deswegen dafür, dass sich die Hauptakteure in der Raumfahrt selbst strengere Regeln auferlegen – im ureigenen Interesse. So hofft er, dass sich unter den dominierenden Raumfahrtstaaten USA, China und Russland allmählich ein Modus Vivendi im Orbit etabliert.  

Das wäre auch dringend nötig. Denn mit dem Boom kommerzieller Satelliten steigt die Kollisionsgefahr weiter. «Heute platzieren private Unternehmen tausende Satelliten im Weltall», sagt der Astronom. «Die Raumfahrt hat sich in den letzten zehn Jahren komplett verändert.»

Sofortmassnahme «Zero Waste»

Für Schildknecht ist klar: «Wir müssen jetzt möglichst schnell eine Null-Weltraumschrott-Politik implementieren.» Konkret: Alles, was man in den Orbit schiesst, muss dereinst auch wieder zurückgebracht oder zum Absturz gebracht werden. Eine andere Möglichkeit ist, das All aktiv zu säubern. Solche Technologien werden bereits entwickelt – unter anderem in der Schweiz.

Modell des Projekts in Zusammenarbeit mit der ESA
Legende: Das Schweizer Unternehmen «ClearSpace-1» will im All für Ordnung sorgen: Ein Satellit soll Trümmerteile mit seinen vier Greifarmen packen und mit ihnen in der Erdatmosphäre kontrolliert verglühen. Europäische Weltraumagentur ESA

Schliesslich plädiert Schildknecht dafür, weitere Technologien für Aufräumarbeiten im All zu entwickeln, um den Orbit von toten Objekten zu säubern.  

SRF 4 News, 30.03.2023, 7:50 Uhr ; 

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