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Wem gehört das Wasser? Zentralchile wird zur Wüste

Die Dürre in Chile ist gravierend. Die Privatisierung des Wassers verschärft die sozialen Unruhen zusätzlich.

Zu 100 Prozent privatisiertes Wasser: was das heisst, sticht zwei Autostunden nördlich der chilenischen Hauptstadt Santiago ins Auge. In einer bräunlichen Halbwüste zeichnen sich enorme saftig grüne Avocado-Plantagen ab. Sie verkörpern eine Art grünes Gold, von Jahr zu Jahr verzeichnen die Exporte 30 Prozent Zuwachs. Avocados benötigen viel Wasser.

Davon zeugen bis an den Rand gefüllte Reservoire. Die Plantagenbesitzer haben sich die Wasserrechte gesichert für ihr Geschäft, die Bewohner der umliegenden Dörfer haben das Nachsehen.

Privatisiertes und kostbares Wasser

«Die Avocado-Unternehmer haben uns das Wasser abgegraben», sagt Karina Torres. «Unsere Brunnen sind ausgetrocknet. Jetzt versorgen uns zwei Mal pro Woche Tanklastwagen.» Karina und ihre Nachbarn waren einst Kleinbauern und Selbstversorger. Ohne ausreichendes Wasser haben sie Äcker und Kleinvieh aufgeben müssen.

Vereinzelte Zitronenbäume hält Carina noch mit aufgefangenen Abwaschwasser am Leben. Anfang der 1980er Jahre hatte die Pinochet-Militärdiktatur auch das Wasser privatisiert und es kostbar gemacht.

Das Schmelzwasser der Gletscher in den Anden hat bereits einen Eigentümer, noch bevor es unten in der Ebene Zentralchiles ankommt. Es gehört in der Regel Energiekonzernen oder Grossgrundbesitzern, die damit, aber auch mit Grundwasser ihre Plantagen bewässern.

Ausgetrocknetes Flussbett und Boot.
Legende: Die Dürre im Zentrum Chiles ist allgegenwärtig. Reuters

Der Staat gibt Wasserrechte an Firmen oder Private gratis ab. Sie gehören den Eigentümern nicht nur ein Leben lang. Wasserrechte werden vererbt, sind handelbar und auf dem Markt des sich verknappten Wassers oft Millionen wert.

Senator Guido Girardi wollte diese Zustände jüngst verändern. Per Verfassungsänderung schlug er vor, das Wasser zu entprivatisieren und mit der Regulierung des Verbrauchs wieder den Staat zu betrauen.

Klare Mehrheiten reichen nicht

Nachdem ihn die Banken und der Landwirtschaftsverband in ganzseitigen Zeitungsanzeigen beschuldigten, dass er die Enteignung des Wassers propagiere, fiel Girardi mit seinem Vorstoss auf die Nase. In der ausschlaggebenden kleinen Kammer fand er mit 24 Ja bei nur 12 Gegenstimmen zwar eine klare Mehrheit, aber doch zu wenige Stimmen für eine Reform.

In der letzten Regenperiode sind 82 Millimeter Regen gefallen. Früher waren es über 300 Millimeter.
Autor: Guido Girardi Chilenischer Senator

Diktator Pinochet liess seine Verfassung in Stein meisseln und sie gilt bis heute. «Es ist eine verkehrte Welt: wenn es um die Verfassung mit ihren Privilegien für die Unternehmer geht, ist die Mehrheit plötzlich die Minderheit. Für Verfassungsänderungen ist eine drei Fünftel Mehrheit Voraussetzung. Etwas das im politischen Betrieb von Chile praktisch ausgeschlossen ist», sagt der Senator.

Aufgeben will Girardi nicht. Die breiten soziale Unruhen ab Mitte Oktober haben die Forderung nach einer neuen Verfassung auf die politische Agenda zurückgebracht.

Protestierende in Chile.
Legende: Die Demonstranten verlangen von der chilenischen Regierung tiefgreifende Veränderungen. Reuters

Die Beratungen dazu beginnen im laufenden Jahr. Ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste der Unzufriedenen steht ein gerechteres Wasserregime. «In der letzten Regenperiode sind 82 Millimeter Regen gefallen. Früher waren es über 300 Millimeter.» Man müsse anerkennen, dass sich zumindest Zentralchile auf ein Wüstenklima zubewegt, so Girardi.

Der Parlamentarier ist zuversichtlich, dass sich im neuen Grundgesetz auch eine demokratischere Ordnung verankern lässt. Der Klimawandel lasse gar keine andere Wahl zu, als das knapper werdende Wasser in allererster Linie für die Bedürfnisse der Bevölkerung zu reservieren.

Sendebezug: Echo der Zeit, 28.1.2020, 18:00 Uhr

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