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Vergessene, politische Gefangene in Belarus
Aus Rendez-vous vom 21.08.2023. Bild: Keystonr/Dmitri Lovetsk
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Widerstand gegen Lukaschenko Was man über die politischen Häftlinge in Belarus weiss

Vor zwei Jahren schaute die Weltöffentlichkeit gebannt auf Belarus, als aus Protest gegen die mutmasslich gefälschten Präsidentschaftswahlen und gegen Machthaber Alexander Lukaschenko Hunderttausende Menschen auf die Strasse gingen. Es waren die grössten Massenproteste in der Geschichte des Landes, unzählige Oppositionelle wurden verhaftet. Seither ist es ruhig geworden um Belarus, über das Schicksal der verhafteten Oppositionellen wird kaum mehr gesprochen. SRF-Korrespondent Calum MacKenzie erklärt die Situation in Russlands Nachbarland.

Calum MacKenzie

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Was weiss man über die politischen Häftlinge in Belarus?

Diese Frage können wir in vielen Fällen nicht beantworten. Von den prominentesten politischen Häftlingen in Belarus fehlt seit Monaten jede Spur, das Regime hat ihnen jeglichen Kontakt zur Aussenwelt verboten: Besuche, Anrufe oder Briefverkehr. Wir wissen also nicht, wo sie sind und wie es ihnen geht, aber die Bedingungen in belarussischen Gefängnissen sind besonders für politische Häftlinge sehr hart. Die Zellen sind kalt und unbequem, die Inhaftierten werden schlecht versorgt und teilweise verprügelt. Es hat bereits Todesfälle gegeben, und deswegen gibt es auch Befürchtungen, dass einige dieser Leute, die jetzt verschwunden sind, vielleicht gar nicht mehr am Leben sind.

Prominente Gegner werden psychisch gebrochen

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Unter den Gefangenen gibt es auch prominente Gegner des Regimes. So etwa Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa, die 2021 zu elf Jahren Straflager verurteilt wurde. Sie hatte im Gefängnis gesundheitliche Probleme. Im vergangenen November erlitt sie einen Magendurchbruch. Weshalb, weiss man nicht genau. Kolesnikowa wurde auf der Intensivstation behandelt und wieder ins Straflager gebracht. Seit Februar hat man nichts mehr von ihr gehört.

Sie ist nicht die Einzige. Das Regime scheint das Ziel zu verfolgen, mit dieser Isolation die prominenten Oppositionellen psychisch zu brechen.

Das hat man gesehen bei Roman Pratassewitsch, der bei der spektakulären Flugzeugentführung von 2021 verhaftet wurde. Er ist im vergangenen Frühling freigelassen worden, aber erst, nachdem er in aller Öffentlichkeit Lukaschenko gelobt und sich von jeglicher Opposition distanziert hatte.

Wie kommt die Zahl von rund 1500 Gefangenen zustande?

Diese Zahl stammt von der belarussischen Menschenrechtsorganisation Wjasna. Tatsächlich dürften es viel mehr sein. Denn es melden sich nicht alle Angehörigen, wenn jemand festgenommen wird. Und man muss sagen, dass die belarussischen Sicherheitskräfte bis heute rigoros gegen alle Leute vorgehen, die je an Protesten gegen das Regime teilgenommen haben. Sie durchforsten bis heute alte Videos und Fotos von den Massenprotesten von 2020, um neue Leute zu identifizieren und zu verhaften.

Muss man sich auch jetzt noch davor fürchten, verhaftet zu werden?

Es dringen nur wenige Informationen aus dem Land nach draussen, aber wie es scheint, werden noch jetzt jede Woche Dutzende Leute verhaftet. Und man wird ebenfalls verhaftet, auch wenn man bei den Protesten nur eine kleine Rolle gespielt hat. Also wenn man auf einem Video von 2020 zu sehen ist, wie man auf der Strasse bei einer Kundgebung mitläuft, dann kommt die Polizei und wirft einem erst einmal vor, illegal die Strasse blockiert zu haben. Später folgen dann oft politische Vorwürfe.

Wie viele Andersdenkende sind seit den Protesten aus Belarus geflüchtet?

Das ist schwer zu quantifizieren, es gibt aber Schätzungen. Die neuesten, die ich kenne, liegen bei etwa 500'000 Menschen, die seit 2020 das Land verlassen haben, es könnten noch mehr sein. Das ist viel bei einer Bevölkerung von neun Millionen.

Sind sie aus dem Exil noch politisch aktiv?

Ja, es gibt ziemlich aktive belarussische Oppositionelle im Exil, vor allem in Litauen und in Polen. Die Präsidentschaftskandidatin, die Lukaschenko 2020 herausgefordert hat, Swetlana Tichanowskaja, tut vieles, um den internationalen Druck auf Belarus konstant zu halten. Aber es ist der Fluch von Aktivistinnen im Exil, dass sie auswandern müssen, um aktiv zu bleiben, weil sie ja sonst im Gefängnis landen würden. Aber sobald sie ausgewandert sind, ist ihr Einfluss in der Heimat sehr begrenzt. Und in Belarus, wo die unabhängige Zivilgesellschaft stranguliert worden ist, ist das umso mehr der Fall.

Frauen in weiss-roten Flaggen gehüllt.
Legende: Im Ausland sind Kundgebungen gegen Lukaschenko möglich – wie hier am 9. August 2023 in Polens Hauptstadt Warschau anlässlich des dritten Jahrestages der Wahlen in Belarus. REUTERS/Kacper Pempel

Rendez-vous, 21.08.2023, 12:30 Uhr;

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