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Wirecard-Skandal Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Kreuzfeuer

Betrug im grossen Stil – und keiner hat es gemerkt. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen.

Es war ein Wirtschaftskrimi ohne Beispiel: Der Finanzdienstleister Wirecard hatte jahrelang die Bilanz manipuliert, Konten erfunden, Milliarden vorgelogen, bis das Kartenhaus im Juni dieses Jahres zusammenbrach. Wirecard war pleite und die Öffentlichkeit geschockt. Die Firmenbosse sind untergetaucht oder sitzen in Untersuchungshaft, es laufen mehrere Strafverfahren.

Niemanden scheint es interessiert zu haben

Wirecard war Liebling von Börse und Bundesregierung und profitierte von mächtigen Unterstützern bis hin zur Kanzlerin. Weder die privaten Prüfer von EY noch die staatliche Aufsicht schienen am Erfolg von Wirecard zu zweifeln, obwohl Journalisten des «Wall Street Journal» seit längerem berichtet hatten, dass etwas nicht stimmen könne im Bilanzdickicht des Überfliegers. Doch scheinbar hat es niemanden interessiert.

Nun verlangt die Opposition Aufklärung: Linke, Grüne und FDP – sonst selten auf einer Linie – erteilen geschlossen den Auftrag für eine parlamentarische Untersuchung. Die Aufsicht habe versagt und keiner wolle dafür die Verantwortung übernehmen. Inakzeptabel, findet die Opposition.

Nicht der einzige Skandal für Scholz

Politisch trägt Finanzminister Olaf Scholz die Verantwortung. Er selbst sagte wiederholt, sein Ministerium habe getan, was möglich war, und verweist auf die private Prüfungsgesellschaft EY, die trotz hoher Saläre ihren Job nicht gemacht habe. Mag sein. Doch damit gibt sich die Opposition nicht zufrieden.

Denn es ist nicht der einzige Skandal, bei dem der Finanzminister eine entscheidende Rolle spielt. Auch in Sachen Cum-Ex, den illegalen Steuertricks, durch die dem deutschen Fiskus geschätzt über 30 Milliarden Euro entgingen, machte Scholz keine gute Figur. Die Hamburger Warburg-Bank soll das illegale Geschäft im grossen Stil betrieben haben und, als alles aufflog, verschont geblieben sein von staatlichen Rückforderungen. Verantwortlich: der damalige Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz.

Mehrere Treffen mit dem Eigentümer der Bank waren Scholz «entfallen», an den Inhalt der Gespräche kann er sich angeblich nicht mehr erinnern. Die Geschichte wirft kein gutes Licht auf den obersten Finanzhüter des Landes, der nun sogar Kanzler werden will.

Ungünstiges Timing

Und Scholz selber? Er gibt sich betont gelassen, weicht unangenehmen Fragen aus, schweigt Ungereimtheiten einfach weg. Das Parlament und der zuständige Finanzausschuss nahmen Scholz mehrfach in die Mangel – allein, es scheint ihn kaum zu kümmern. Auch den nun beauftragten Untersuchungsausschuss zu Wirecard wird Scholz wohl einfach aussitzen.

Weder empathische Ansprache noch Verständlichkeit sind des Finanzministers Sache. Und so werden Öffentlichkeit und betrogene Anleger kaum je aus seinem Mund erfahren, was in Sachen Cum-Ex oder Wirecard schiefgelaufen ist. Für viele mag das unbefriedigend sein, spurlos werden die Skandale jedoch nicht an Olaf Scholz vorbeiziehen.

Denn das Timing könnte ungünstiger kaum sein: Die Resultate des Ausschusses sollen nächstes Jahr im Juni vorgestellt werden, nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl, wenn es für Olaf Scholz um alles oder nichts geht. Selbst wenn wenig an Olaf Scholz persönlich hängen bleibt: Auch daraus lässt sich im Wahlkampf viel machen. Ein Geschenk, das sich seine politischen Gegner nicht entgehen lassen werden.

Tagesschau, 10.9.2020, 19:30 Uhr

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