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Wirtschaftskrise in Nigeria «Ten Days of Rage»: Nigerias Bevölkerung drängt auf Reformen

Landesweite Proteste: Viele in Afrikas bevölkerungsreichstem Land können sich das tägliche Leben nicht mehr leisten.

Das 220-Millionen-Volk Nigeria wird seit mehreren Tagen von heftigen Protesten heimgesucht. Bei den Kundgebungen gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung wurden bisher mindestens 13 Menschen getötet. Dutzende wurden verletzt und gegen 700 verhaftet.

Nigeria leidet seit Monaten unter einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflation ist auf 34 Prozent angestiegen, den höchsten Wert seit drei Jahrzehnten. Ein Beispiel für die explodierenden Preise lieferte kürzlich eine lokale Zeitung anhand der beliebtesten Beilage der nigerianischen Küche, dem «Fufu» aus Yamswurzel und Kochbananen. Der Preis für eine Yamswurzel stieg innert Monaten um mehr als das Dreifache auf umgerechnet 5.30 Franken.

Der Funke sprang von Kenia über

Die Proteste waren vorerst nur klein und lokal, doch dann sprang der Funke von den grossen Kundgebungen im ostafrikanischen Kenia über: Junge Nigerianerinnen und Nigerianer formierten sich unter dem Hashtag «Ten Days of Rage» in den sozialen Medien. Seit dem vergangenen Donnerstag sind in allen Teilen des Landes Zehntausende auf der Strasse.

Proteste in Lagos
Legende: Proteste in der Hauptstadt Lagos am Wochenende: Die Wirtschaftskrise in Nigeria treibt seit Tagen Zehntausende auf die Strasse. Armut und explodierende Preise, aber auch die hohe Arbeitslosigkeit der Jungen setzen die Regierung unter Präsident Bola Tinubu unter Druck. Keystone/AP/Sunday Alamba

Die Anliegen der Demonstrierenden sind vielfältig. Im Zentrum steht die Senkung der Lebenshaltungskosten. Auch soll Präsident Bola Tinubu die kürzlich abgeschaffte Subventionierung von Benzin wieder einführen. Viele fordern auch seinen Rücktritt und machen ihn direkt für die wirtschaftliche Misere und die Korruption verantwortlich. Aus dem Norden des Landes kommt zudem der Ruf nach mehr Schutz vor den Gewalttaten von islamistischen Milizen wie Boko Haram.

Tinubu wollte beschwichtigen

Die Regierung versuchte vergeblich, die Proteste zu verhindern, indem sie nur Stunden vor der Protestaktion «Zehn Tage der Wut» die Mindestlöhne erhöhte und den Markt mit Grundnahrungsmitteln wie Yams und Reis überschwemmte. Den Demonstrierenden reichte das nicht, und viele Junge machten deutlich, dass ihnen ein Mindestlohn ohne Job nichts nütze.

Mann mit traditioneller Hut und Brille lächelt.
Legende: Bola Tinubu: Im Februar 2023 wurde er zum Präsidenten von Nigeria gewählt. Keystone/HANNIBAL HANSCHKE

Präsident Tinubu forderte am Sonntag vergeblich ein Ende der Proteste. Er liess bereits vor Beginn der Kundgebungen Protestführer verhaften und gab den Sicherheitskräften die Erlaubnis, auch scharf zu schiessen. Die Demonstrierenden sind dennoch entschlossen, weiterzumachen.

Regierung greift hart durch – Ausgang offen

Gerade die junge Generation Z um die 20 oder jünger ist sehr stark von der Wirtschaftskrise betroffen. Viele von ihnen sind sehr gut ausgebildet und gehören der Mittelschicht an. Trotz guter Universitätsabschlüsse finden sie keine Arbeit. Sie sind fest entschlossen, Veränderungen zu fordern, um ihre Zukunft zu sichern. Ihre Vorbilder sind eindeutig die jungen Kenianerinnen und Kenianer. Sie schafften es, dass Präsident William Ruto Anfang Juli ein umstrittenes Steuergesetz zurückzog und einen Teil seiner Regierung entliess.

Polizei in Lagos.
Legende: Nigerianische Polizeikräfte am 2. August 2024 in den Strassen der Hauptstadt Lagos. Keystone/AP/Sunday Alambo

Wie sich die Lage in Nigeria weiterentwickelt, ist noch schwer absehbar, auch angesichts der sehr breit gefächerten Forderungen der Demonstrierenden. Der Sturz der Regierung wäre vermutlich nur zu einem sehr hohen Preis zu haben, ist sie doch gewillt, hart gegen die Proteste vorzugehen. Möglicherweise werden sich die Proteste aber auch verzetteln, weil einheitliche Forderungen fehlen. Dann käme die Regierung wohl ohne grössere Reformen davon.

SRF 4 News aktuell, 5.8.2024, 6:50 Uhr

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