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«WSIS+20» UNO-Entscheid ausstehend: Wer bestimmt die Regeln des Internets?

Vor 20 Jahren haben die UNO-Staaten entschieden, das Internet gemeinsam mit Forschung, Firmen und Zivilgesellschaft zu verwalten. Nun ist das Mandat ausgelaufen. Wird es in der aktuellen Form erneuert werden?

Wenn wir in der Schweiz einen Film von Netflix in den USA schauen oder die Webseite einer japanischen Zeitung aufrufen, funktioniert das reibungslos. Unsere Anfrage findet ihren Weg quer über den Globus, durch Kabel und Knotenpunkte verschiedener Firmen und Organisationen. Unser Browser kann problemlos verstehen was die Programmierer geschrieben haben. Wieso funktioniert das alles so gut?

Die Gesellschaft verwaltete das Internet

Vor 20 Jahren kamen die Staaten der UNO zusammen, um sich zu überlegen, wie das Internet organisiert werden soll. Es war eine optimistische Zeit, erzählt Jorge Cancio vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom): «Das Internet war eine Art Versprechen, eine Chance für die wirtschaftliche Entwicklung und die Demokratisierung. Da hat man entschieden: Wir stecken das nicht in einen zwischenstaatlichen Prozess, wo alles im Detail reguliert wird, sondern wir öffnen es.»

Dieser Multistakeholder-Approach war etwas ziemlich Neues, das gab es in der UNO kaum.
Autor: Jorge Cancio Co-Director vom Bundesamt für Kommunikation

Um das Internet zu regulieren, braucht es nicht nur Politikerinnen und Beamte. Es braucht auch Techies wie Programmiererinnen, Netzwerktechniker und Cybersecurity-Experten. Es braucht Akademikerinnen und Forscher, Firmen, die Zivilgesellschaft und Menschenrechtler.

Wie funktioniert der Multistakeholder-Ansatz?

Damit all diese Anspruchsgruppen zusammenkommen können, wurde das «Internet-Governance-Forum», das IGF, gegründet. Hier diskutieren alle Interessierten zusammen über neue Themen, Herausforderungen und Lösungen.

Podiumsdiskussion mit drei Personen, Publikum und Bildschirm.
Legende: Das IGF 2025 in Norwegen: Die Foren sind eine Erfolgsgeschichte, heute gibt es sie in 170 Ländern, so auch in der Schweiz. IMAGO / Xinhua

«Dieser Multistakeholder-Approach, dass alle an einem Tisch sitzen und Herausforderungen besprechen, das war etwas ziemlich Neues, das gab es in der UNO kaum», erklärt Cancio. Der Ansatz habe sich bewährt: «Das hat sich institutionalisiert und ist jetzt fast selbstverständlich. Sogar manche sehr staatszentrische Länder erkennen diesen Mehrwert.»

Welche Organisationen regeln das Internet?

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Während die Staaten innerhalb ihrer Grenzen Gesetze verabschieden und Firmen über ihre Webseiten bestimmen, liegt ein grosser Teil der Internetinfrastruktur in den Händen von gemeinnützigen Organisationen:

ICANN

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) verwaltet die Internetadressen. Während jedes Land für seine eigene Top-Level-Domain zuständig ist (z.B. das Bakom für «.ch») schaut das ICANN, dass jede IP-Adresse global einmalig ist und, dass alle Geräte Zugriff auf aktuelle Adressbücher haben.

IETF

Die Internet Engineering Task Force (IETF) legt die Protokolle und Standards fest, die es ermöglichen, dass Computer und Netzwerke über den Globus hinweg miteinander kommunizieren können. Zu den bekanntesten Protokollen gehören wohl das Internetprotokoll HTTP.

W3C

Das World Wide Web Consortium (W3C) legt in technischen Spezifikationen und Richtlinien fest, wie das Internet funktioniert. Die bekannteste Technologie aus seiner Feder ist wohl HTML, die Sprache, in der das Layout von Webseiten definiert wird.

In den Foren wird diskutiert, aber es werden keine Gesetze oder Regulierungen gemacht. Das Ziel ist es, einen Konsens zu schaffen, ein gemeinsames Verständnis davon, was die besten Lösungen sind. Dieser Konsens fliesst dann in die Entscheidungsprozesse in den Staaten, Organisationen und Firmen ein.

Entsprechend schwierig ist es, den Erfolg der «WSIS»-Struktur zu messen. Einig scheinen sich aber alle zu sein, dass sie zentral wichtig ist. Nicht ganz einig ist man darüber, wie es weitergehen soll – denn das Mandat läuft dieses Jahr aus und muss erneuert werden.

Die Revision: Geschwächt oder gestärkt in die Zukunft?

Autoritäre Länder wie Russland und China stellen den Multistakeholder-Ansatz in Fragen. Sie wollen weniger Mitsprache für die Zivilgesellschaft und mehr Macht in zwischenstaatliche Prozesse verschieben. Die Fürsprecher in Europa könnten die Gefahr verschlafen, befürchten einige, darunter Kurt Lindqvist, CEO des ICANN, der Organisation, die Internetadressen verwaltet: Das Multistakeholder-Modell sei phänomenal erfolgreich, doch heute sähen wir es als selbstverständlich an.

Wo steht die Schweiz?

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Jorge Cancio vom Bakom erklärt gegenüber SRF, die Schweiz sei eng in den «WSIS»-Revisionsprozess involviert: «Wir haben uns dafür eingesetzt, dass wir die Weichen stellen für eine WSIS-Architektur, die den Herausforderungen und den Chancen gerecht wird. Da haben wir auch sehr viele konkrete Vorschläge gemacht, einige davon sind auch im neuen Entwurf.»

Cancio betont auch die Wichtigkeit des WSIS für das internationale Genf: «Sehr viele der Arbeiten des WSIS-Rahmens geschehen in Genf, zum Beispiel in der ITU, der Fernmeldeunion.» Auch der erste KI-Gouvernanz-Dialog soll nächstes Jahr in Genf stattfinden.

Trotzdem ist Jorge Cancio optimistisch – die Verhandlungen würden positiv verlaufen: «Viele Länder erkennen, zumindest auf Ebene der UNO, dass es einen Mehrwert hat, wenn man die Anspruchsgruppen an einen Tisch setzt.»

Wie es weiter geht mit dem Internet, das wird in der UNO Generalversammlung entschieden und am Mittwochabend verkündet.

SRF 1, Echo der Zeit, 11.12.2025, 18:00 Uhr

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