Frankreich ist reich an Burgen und Schlössern, Klöstern und Kirchen. Ihr Unterhalt übersteigt das Budget des Kulturministeriums aber bei weitem. «Pro Jahr stehen lediglich rund 340 Millionen Euro dafür zur Verfügung. Für alle Monumente, die in Staatsbesitz sind, wie die Kathedrale Notre-Dame», weiss der Pariser Architektur-Historiker Alexandre Gady.
Denkmäler-Lotto
Vor zwei Jahren hatte der Fernsehmoderator Stéphane Bern darum ein Kulturerbe-Lotto ins Leben gerufen, um für sehr renovierungsbedürftige Bauwerke Geld zu sammeln. So beispielsweise für das kleine Stadtpalais in Bougival, wo einst Pauline Viardot wohnte, eine der grössten Musikerinnen des 19. Jahrhunderts.
In ihrem mit neo-pompeiianischen Fresken verziertem Salon sassen die Schriftsteller Charles Dickens, Henry James und Gustave Flaubert oder der Pianist und Komponist Camille Saint-Saëns.
Auch Privatleute springen ein
Manchmal springen aber auch Private ein: Zum Beispiel um das Château de l'Ebaupinay in der Vendée zu erhalten. Auf den Adoptions-Aufruf im Internet antworteten 7000 Personen.
Man kann doch nicht einfach alles auf Mäzene oder private Vereine abwälzen.
Pro forma zu Rittern geschlagen, finanzieren sie die Restaurierung des Gemäuers aus dem 15. Jahrhundert. «Der Erhalt des Kulturerbes ist Aufgabe des Staats», ärgert sich Gady. «Man kann doch nicht einfach alles auf Mäzene oder private Vereine abwälzen.»
Der Architekturhistoriker hofft, dass das Drama um die Kathedrale Notre-Dame eine Schockwirkung hat: «Seit vielen Jahren wird das Budget für historische Monumente stets gekürzt, man will sparen. Diese kleinen Einsparungen können aber in eine grosse Katastrophe münden, wenn der Staat seine Verantwortung nicht wahrnimmt.»
In die Kathedrale Notre-Dame seien zwar immer wieder ein paar Millionen Euro investiert worden, doch eine umfassende Renovation habe man nie ins Auge gefasst. «Vieles wurde hinausgeschoben und diese kleinen Versäumnisse summierten sich. Was sich jetzt offenbar gerächt hat.»
Gefährliches Flickwerk
Bei dem Flickwerk an Renovationen mangele es aber auch an klaren Sicherheits-Vorschriften, ist Didier Rykner überzeugt. Für den Kunsthistoriker und Chefredaktor des Online-Magazines «La Tribune de l’Art» ist das Drama der Notre-Dame der Brand zu viel, er hätte vermieden werden können.
«Ohne die Brandursache vorweg nehmen zu wollen, ist es aber beispielsweise nicht obligatorisch, bei Renovationen auf den Baustellen generell Feuermelder zu installieren. Genausowenig ist es obligatorisch, die für die Arbeit benötigten brennbaren Produkte in einem feuersicheren Raum zu lagern.»
Die Pariser Kathedrale wieder aufzubauen, ist laut Architektur-Historiker Gady in technischer Hinsicht kein Problem. Doch sie werde nie mehr dieselbe sein. «Denkmäler sterben. Das ist eine der Lektionen aus diesem Drama. Man kann Monumente verlieren, die einem ewiglich erschienen.»