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Zustand der deutschen Armee «Die Bundeswehr wird schlechter gemacht, als sie ist»

Deutschland liefert 14 Leopard-II-Kampfpanzer an die Ukraine. Ganz so «blank», wie der deutsche General Alfons Mais vor bald einem Jahr gesagt hatte, ist die Bundeswehr also nicht. Grosse Lücken, etwa bei der Munition, ortet auch der Rüstungsexperte Max Mutschler. Für die Probleme in der Bundeswehr macht er vor allem schlechte Organisation verantwortlich.

Max Mutschler

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Der Rüstungsexperten Max Mutschler forscht am Bonn International Center for Conflict Studies über Waffenkontrolle und -export sowie die deutsche Rüstungsindustrie.

SRF News: In welchem Zustand befindet sich die Bundeswehr?

Max Mutschler: Die Bundeswehr wird manchmal wohl schlechter gemacht als sie tatsächlich ist. Zwar machen sich die Einsparungen seit Ende des Kalten Kriegs durchaus bemerkbar. Doch die Trendwende bei den Rüstungsausgaben fand schon vor Jahren statt, auch in Deutschland. Spätestens seit 2014 steigen sie wieder an.

Die Probleme der Bundeswehr haben eher damit zu tun, dass vieles schlecht organisiert wurde.

Und mit knapp 50 Milliarden Euro pro Jahr lagen die deutschen Ausgaben für die Bundeswehr vor Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine leicht höher als jene Frankreichs. Die Bundeswehr wurde also keineswegs kaputt gespart. Ihre Probleme haben eher damit zu tun, dass vieles schlecht organisiert wurde.

Immerhin gibt es Lücken, die jetzt schnell wieder aufgefüllt werden sollen ...

In der Tat fehlt einiges, vor allem bei der Munition. Doch es stimmt nicht, dass man gar nichts hätte und nichts funktioniere. Es hat sich gezeigt, dass durchaus Material da ist, das an die Ukraine weitergegeben werden kann, wenn der politische Druck entsprechend steigt.

Europäische Kooperation verbessern

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Symbolbild: Panzer in Nahaufnahme.
Legende: Keystone/Philipp Schulze

Der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Rüstungsindustrie innerhalb von Nato und EU besser vernetzen und koordinieren. Dazu sagt Rüstungsexperte Max Mutschler: «Die Koordination bei der Beschaffung und Entwicklung von Rüstungsgütern ist seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner. Man weiss, dass man hier besser werden muss. Es gibt zahlreiche Absichtserklärungen, auch innerhalb der EU. Es hat sich auch schon einiges getan. Allerdings zeigt sich trotz aller Beteuerungen immer wieder, dass im konkreten Fall vor allem die nationale Rüstungsindustrie geschützt wird. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Frankreich und andere Länder. Und daran scheitert dann oft auch die Kooperation.»

Wie schwierig wird es, die bestehenden Lücken aufzufüllen?

Das wird nicht ganz einfach. Die Rüstungsindustrie kann nicht auf Vorrat produzieren, die Produktionsprozesse sind langwierig. Es braucht einen staatlichen Auftrag und eine Bewilligung zur Rüstungsproduktion.

Es können nicht einfach bereits vorproduzierte Panzer gekauft und schon bald eingesetzt werden.

Nötig ist also ein politischer Vorlauf, bevor die Produktion aufgenommen wird. Deshalb können jetzt nicht bereits vorproduzierte Panzer gekauft und schon bald eingesetzt werden.

Was bedeutet es für andere Länder, die in Deutschland Kriegsmaterial bestellt haben, wenn jetzt Deutschland zuerst seine Lücken auffüllt?

Es kann sein, dass die Bundeswehr prioritär bedient wird, vor allem kurzfristig. Mittel- bis langfristig könnte aber auch die Produktion von Waffen und Munition heraufgefahren werden. Das wiederum könnte das Kriegsmaterial besser verfügbar und womöglich auch billiger machen.

Die Slowakei hat ihre Panzer in die Ukraine geliefert und neue Leopard-II-Panzer bei Rheinmetall in Deutschland bestellt. Kann der sogenannte Ringtausch funktionieren, wenn jetzt Deutschland die Panzer-Produktionskapazitäten selber braucht?

Der kann durchaus funktionieren, denn auch die deutsche Rüstungsindustrie hat ein gewisses Interesse am Ringtausch-Modell. Sie kann dadurch ihren Kundenstamm erweitern, ausserdem hängen am Verkauf die Wartung, die Lieferung von Ersatzteilen sowie später möglicherweise weitere Bestellungen und Lieferungen. Dabei ist kaum vorstellbar, dass jetzt Deutschland die Slowakei einfach übergeht und die Panzer nicht wie abgemacht liefert, weil die Bundeswehr selber rasch Panzer braucht. Schliesslich sind die beiden Länder ja auch Bündnispartner.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 26.01.2023, 18:00 Uhr ; 

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