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Enkel der Zuger Kinopionierin: «Zu diesem Erbe wollen wir Sorge tragen»
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 10.11.2023. Bild: zvg/Adrian und Alban Hürlimann
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100 Jahre Zuger Kinos Wie «Frau Fredy Hürlimann» für ausverkaufte Kinosäle sorgte

Veronika Hürlimann hat 1923 in Zug das erste Kino eröffnet. Heute führen ihre Enkel die Tradition weiter.

Es ist der 13. November 1923. Ein geschichtsträchtiger Tag für Zug. Das Grand Cinéma, das heutige Kino Gotthard, zeigt «Die Elektrifikation der Bundesbahnen». Es ist die erste Filmvorführung überhaupt im Kanton. Und markiert den Beginn einer langen Kinotradition.

Denn: Auch ein Jahrhundert später ist das Gotthard noch nicht aus der hiesigen Kino-Landschaft verschwunden. Und gehört mittlerweile zu den ältesten Filmbetrieben der Schweiz. Zu verdanken ist dies Veronika Hürlimann-Schweikher, die damals den Grundstein dafür gelegt hat.

Sie brauchte immer die Unterschrift ihres Mannes

Um in Zug das Grand Cinéma zu eröffnen, spannt Veronika Hürlimann 1923 mit René Marchal zusammen – einem Kinobesitzer aus Baden. Die geplante Arbeitsteilung: Hürlimann sollte den Betrieb führen, Marchal die Filme organisieren.

Eine Frau als Direktorin. Ungewöhnlich für anno dazumal. Auf der Webseite der Zuger Kinos, wo Leander Diener die Geschichte historisch aufgearbeitet hat, heisst es: «Obwohl Hürlimann-Schweikher ihre Pläne praktisch in Eigenregie umsetzte, musste sie den Gesellschaftsvertrag mit René Marchal noch mit dem Namen ihres Mannes unterzeichnen.»

Die Geschäftsbeziehung zwischen «Frau Fredy Hürlimann» und René Marchal geht allerdings schon knapp ein Jahr später in die Brüche. Und auch die gesellschaftliche Abhängigkeit von ihrem Mann hält nicht lange an. Er verstirbt früh.

Wenn die Zensur eingriff

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Bereits 1923 hatte sich in Zug eine mehrköpfige Zensurbehörde etabliert, die als «Kantonale Kinokommission» während Jahrzehnten Filme visionierte. Gegebenenfalls foderte sie Zensurmassnahmen ein. Davon betroffen waren etwa freizügige Darstellungen. Angeblich verstörende Produktionen wie «Frankenstein» von 1931 erhielten gar ein Verbot.

Der Einwohnerrat von Baar warf der Kinobetreiberin Veronika Hürlimann-Schweikher vor, wegen eines einzelnen Kinobesuchs scheitere «das Erziehungswerk von Jahrzehnten». Krimis und Western, wie sie ab 1956 im Cinéma Lux in Baar gezeigt wurden, waren der Behörde ein Dorn im Auge. Hürlimann aber wehrte sich: «Es ist zu bemerken, dass gerade die guten, sensiblen Filme in Baar nicht beachtet werden.»

Für sie sei dies – rückblickend gesehen – ein Glücksfall gewesen, sagt Alban Hürlimann, einer der beiden Inhaber, heute. Seine Grossmutter habe nicht länger die Zweitmeinung respektive Unterschrift von Fredy Hürlimann einholen müssen. «Als Witwe war sie viel geschäftsfähiger.»

Die Liebe zum Arthouse-Kino hat ihren Preis

Als Veronika Hürlimann am 10. Dezember 1975 stirbt, umfasst die Kino Hürlimann AG drei Betriebe: In Zug die Kinos Gotthard und Seehof, in Baar das Cinéma Lux.

Die vier Säle sind heute in der Hand der Enkel, Alban und Adrian Hürlimann. Beide sind über 70. Und beide verbindet die Liebe zum Arthouse-Kino. Also zu Nischenproduktionen, die nicht in den grossen Studios gedreht wurden.

Alban und Adrian Hürlimann stehen zwischen Leinwand und Kinositzen.
Legende: Für Arthouse schlägt das Herz von Alban und Adrian Hürlimann. «Hier schlägt der Idealismus von uns durch.» SRF/Barbara Anderhub

Aber: «Es ist harte Arbeit, das Arthouse-Kino aufrechtzuerhalten. Oft sitzt man zu zweit im Kino», sagt Alban Hürlimann. «Hier schlägt unser Idealismus durch.» Sich einzig auf Arthouse zu spezialisieren, würde nicht funktionieren. «Wir sind zwischen Luzern und Zürich, wir müssen das gesamte Publikum ansprechen.»

Daher brauche es auch Mainstream im Programm. Volle Säle seien zwar selbst dann selten, so Adrian Hürlimann. «Aber in der letzten Saison hat es dank Blockbustern wie ‹Barbie› oder ‹Oppenheimer› geklappt. Die ganze Branche hat aufgeatmet.»

Mainstream-Filme helfen, Arthouse-Produktionen querzusubventionieren. Auch der Barbetrieb sei eine wichtige Einnahmequelle. Und die Säle vermiete man. Für Weiterbildungen oder Generalversammlungen von Firmen beispielsweise. «Gefragt sind sie auch für Kindergeburtstage mit viel Popcorn.»

Weil die Liegenschaften in ihrem Besitz seien, habe man die Kinos im Laufe der Zeit um- und ausbauen können. Und habe Einnahmen von vermieteten Räumen. «Dies hat zum Erhalt der Kinos beigetragen», sagt Alban Hürlimann. «Zu diesem Erbe wollen wir Sorge tragen und fühlen uns auch verantwortlich, es aufrechtzuerhalten.»

Die nächste Generation steht in den Startlöchern. Tochter und Sohn von Alban Hürlimann. «Es wird kein einfacher Weg sein, aber ein spannender.»

Hier stehen die ältesten Kinos der Schweiz

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Legende: Das Kino Odeon in Brugg nach der Renovierung 1943. zvg

Eines der ältesten Kinos der Schweiz steht im Kanton Aargau: 1921 feierte im Städtchen Brugg das Odeon seine Eröffnung. Heute ist es ein Kulturhaus mit mehreren Standbeinen: Weiterhin gibt's hier Filme zu sehen. Aber auch kulturelle Angebote in den Bereichen Theater, Tanz und Musik gehören zum Programm.

1923, also zeitgleich wie das Kino Gotthard in Zug, wurde in Wettingen das Kino Orient eröffnet. Es wird heute von einem Verein geführt, der sich zum Ziel gesetzt hat, «das schmucke Kino auf der Grenzlinie Baden-Wettingen am Leben zu erhalten». Das Orient wird als Programmkino mit fixem Monatsprogramm betrieben.

Im Tellspielhaus in Altdorf hat Willy Leuzinger 1925 dem Kanton Uri das erste feste Kino gebracht. Das Cinema Leuzinger wird seit 1980 von Leuzingers Enkelin Marianne Hegi geführt.

Zu den ältesten noch aktiven Kinobetrieben der Schweiz gehört auch das Uto in Zürich. Das Kino Uto hat 1927 Premiere gefeiert. «Es wurde als Arbeiterkino für die umliegenden Wohnquartiere gebaut», heisst es auf dessen Webseite. Die Tage des Uto sind allerdings gezählt: Ende März laufen hier die letzten Filme.

Vor über 100 Jahren begann auch in Interlaken die Kinogeschichte. Dank der Kinobetreiber-Familie Corti. Von den damaligen Kinos existiert heute noch das 1947 erbaute Rex. Dieses führt heute Manuel Sanchez in vierter Generation.

Regionaljournal Zentralschweiz, 10.11.2023, 12:03 Uhr ; 

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