Es ist der 13. November 1923. Ein geschichtsträchtiger Tag für Zug. Das Grand Cinéma, das heutige Kino Gotthard, zeigt «Die Elektrifikation der Bundesbahnen». Es ist die erste Filmvorführung überhaupt im Kanton. Und markiert den Beginn einer langen Kinotradition.
Am Anfang der Zuger Kinotradition stand eine Frau
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Bild 1 von 6. Sie war die Zuger Kinopionierin: Veronika Hürlimann-Schweikher. Das Bild zeigt sie in den 1920er-Jahren vor dem Grand Cinéma in Zug. Bildquelle: zvg/Alban und Adrian Hürlimann.
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Bild 2 von 6. Einladung zur ersten Filmvorführung im Grand Cinéma. Möglicherweise griff der ausgewählte Film über die Eisenbahn die Nähe des Kinos zum Bahnhof auf. Bildquelle: zvg/Alban und Adrian Hürlimann.
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Bild 3 von 6. Das Grand Cinéma in Zug, das noch heute unter dem Namen Gotthard existiert. Bildquelle: zvg/Alban und Adrian Hürlimann.
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Bild 4 von 6. 1938 sorgte der Film «Füsilier Wipf» für ausverkaufte Kinosäle. Bildquelle: zvg/Alban und Adrian Hürlimann.
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Bild 5 von 6. Ziehen noch heute die Fäden der Zuger Kinos: die Gebrüder Alban Hürlimann (Zweiter von rechts) und Adrian Hürlimann (ganz rechts), hier auf einem Foto von 1999. Bildquelle: zvg/Alban und Adrian Hürlimann.
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Bild 6 von 6. So präsentiert sich das Kino Gotthard in Zug heute. Bildquelle: zvg/Alban und Adrian Hürlimann.
Denn: Auch ein Jahrhundert später ist das Gotthard noch nicht aus der hiesigen Kino-Landschaft verschwunden. Und gehört mittlerweile zu den ältesten Filmbetrieben der Schweiz. Zu verdanken ist dies Veronika Hürlimann-Schweikher, die damals den Grundstein dafür gelegt hat.
Sie brauchte immer die Unterschrift ihres Mannes
Um in Zug das Grand Cinéma zu eröffnen, spannt Veronika Hürlimann 1923 mit René Marchal zusammen – einem Kinobesitzer aus Baden. Die geplante Arbeitsteilung: Hürlimann sollte den Betrieb führen, Marchal die Filme organisieren.
Eine Frau als Direktorin. Ungewöhnlich für anno dazumal. Auf der Webseite der Zuger Kinos, wo Leander Diener die Geschichte historisch aufgearbeitet hat, heisst es: «Obwohl Hürlimann-Schweikher ihre Pläne praktisch in Eigenregie umsetzte, musste sie den Gesellschaftsvertrag mit René Marchal noch mit dem Namen ihres Mannes unterzeichnen.»
Die Geschäftsbeziehung zwischen «Frau Fredy Hürlimann» und René Marchal geht allerdings schon knapp ein Jahr später in die Brüche. Und auch die gesellschaftliche Abhängigkeit von ihrem Mann hält nicht lange an. Er verstirbt früh.
Für sie sei dies – rückblickend gesehen – ein Glücksfall gewesen, sagt Alban Hürlimann, einer der beiden Inhaber, heute. Seine Grossmutter habe nicht länger die Zweitmeinung respektive Unterschrift von Fredy Hürlimann einholen müssen. «Als Witwe war sie viel geschäftsfähiger.»
Die Liebe zum Arthouse-Kino hat ihren Preis
Als Veronika Hürlimann am 10. Dezember 1975 stirbt, umfasst die Kino Hürlimann AG drei Betriebe: In Zug die Kinos Gotthard und Seehof, in Baar das Cinéma Lux.
Die vier Säle sind heute in der Hand der Enkel, Alban und Adrian Hürlimann. Beide sind über 70. Und beide verbindet die Liebe zum Arthouse-Kino. Also zu Nischenproduktionen, die nicht in den grossen Studios gedreht wurden.
Aber: «Es ist harte Arbeit, das Arthouse-Kino aufrechtzuerhalten. Oft sitzt man zu zweit im Kino», sagt Alban Hürlimann. «Hier schlägt unser Idealismus durch.» Sich einzig auf Arthouse zu spezialisieren, würde nicht funktionieren. «Wir sind zwischen Luzern und Zürich, wir müssen das gesamte Publikum ansprechen.»
Daher brauche es auch Mainstream im Programm. Volle Säle seien zwar selbst dann selten, so Adrian Hürlimann. «Aber in der letzten Saison hat es dank Blockbustern wie ‹Barbie› oder ‹Oppenheimer› geklappt. Die ganze Branche hat aufgeatmet.»
Mainstream-Filme helfen, Arthouse-Produktionen querzusubventionieren. Auch der Barbetrieb sei eine wichtige Einnahmequelle. Und die Säle vermiete man. Für Weiterbildungen oder Generalversammlungen von Firmen beispielsweise. «Gefragt sind sie auch für Kindergeburtstage mit viel Popcorn.»
Weil die Liegenschaften in ihrem Besitz seien, habe man die Kinos im Laufe der Zeit um- und ausbauen können. Und habe Einnahmen von vermieteten Räumen. «Dies hat zum Erhalt der Kinos beigetragen», sagt Alban Hürlimann. «Zu diesem Erbe wollen wir Sorge tragen und fühlen uns auch verantwortlich, es aufrechtzuerhalten.»
Die nächste Generation steht in den Startlöchern. Tochter und Sohn von Alban Hürlimann. «Es wird kein einfacher Weg sein, aber ein spannender.»