Zum Inhalt springen

19 Grad in den Wohnungen Mögliche Temperatur-Vorschrift könnte zu Klagen führen

  • Eine vom Bundesrat erlassene Vorschrift, dass Wohnungen im Krisenfall nur noch auf maximal 19 Grad geheizt werden dürfen, würde mit einem Urteil des Bundesgerichts kollidieren, wonach Wohnungen mindestens 20 Grad warm sein sollten.
  • Ansonsten dürfe eine Entschädigung eingefordert werden.
  • Der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft befürchtet, dass zahlreiche Mieterinnen und Mieter vor Gericht klagen werden, weil ihre Wohnungen ungenügend geheizt seien.

Im Fall einer Mangellage sollen Wohnungen mit Gasheizungen maximal auf 19 Grad beheizt werden, regt der Bundesrat an. Diese Regelung sei derzeit nicht praktikabel umsetzbar, kritisiert die Immobilienwirtschaft. Zudem könnten Vermieter verpflichtet werden, Mietzinsreduktionen zu gewähren.

Recht auf Reduktion des Mietzinses?

Denn eine zu kalte Wohnung gilt gemäss Obligationenrecht wie beispielsweise fleckige Wände, der Ausfall eines Lifts im vierten Stock oder Baulärm in der darüber liegenden Wohnung als «Mangel». Mieterinnen und Mieter können in solchen Fällen auf eine Reduktion des Mietzinses pochen.

Wie hoch eine solche Reduktion ausfällt, bleibt Ermessenssache des Gerichts. Gemäss Merkblatt des Mieterverbandes kann beispielsweise bei einer Raumtemperatur zwischen 16 und 18 Grad mit einer Reduktion der Miete um rund 20 Prozent gerechnet werden.

Eine Person dreht an einem Thermostate an einer Heizung
Legende: Maximal 19 Grad warm darf es in Wohnungen sein, wenn es im Winter zu einer Gas-Mangellage kommt. So sieht es der Bundesrat vor. Bei Mieterinnen und Vermietern sorgt die 19-Grad-Grenze für Unmut. Keystone/Archiv/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Im Fall der vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebenen 19-Grad-Regel für Innenräume, die zu mehr als der Hälfte durch den Einsatz von Gas oder durch ein mit Gas betriebenes Fernwärmenetz erwärmt werden, könnte theoretisch ebenfalls ein Mangel vorliegen.

Bund verweist auf Gerichte

«Für Klarheit könnten nur die für das Mietwesen zuständigen Gerichte sorgen», schreibt deshalb auch der Bund in seinem Kommentar zum Entwurf einer Verordnung über Verbote und Beschränkungen der Verwendung von Gas von Ende August, über die die «SonntagsZeitung» berichtet.

Allerdings geht der Bund davon aus, dass der juristische Spielraum für die temporäre Massnahme bei weitem ausreicht. Er weist in seinem Kommentar darauf hin, dass in Innenräumen Temperaturen von 20 bis 22 Grad Celsius üblich seien. Eine lediglich zeitlich befristete Reduktion der Mindesttemperatur von rund drei Grad dürfte «in der schweizerischen Mietrechtspraxis durchaus noch als zulässig» gelten.

Verband fordert konkrete Vorgaben

Dass der Bundesrat in seinem Kommentar zum Verordnungsentwurf aber dennoch auf den Gerichtsweg verweist, kritisiert der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft SVIT Schweiz in seiner Stellungnahme vom 20. September. So bleibe die Ausgangslage unklar; den Vermietern könnten Klagen auf Mietzinsreduktionen drohen.

Der SVIT erwartet gemäss Stellungnahme vom Bundesrat, «hier Klarheit zu schaffen und die betreffenden Temperaturen für die Dauer der Anwendung der Verordnung als mietrechtskonform zu bezeichnen».

Auch das Heizöl könnte knapp werden

Box aufklappen Box zuklappen

Weiter berichtet die «Sonntagszeitung», dass im kommenden Winter nicht nur Gas und Strom knapp zu werden drohe, sondern auch das Heizöl. Es fehle an Lastwagen und Chauffeuren. Der Bund macht sich Sorgen, dass Ende Winter viele Öltanks leer sind. Denn viele Hauseigentümer hätten wegen der hohen Ölpreise letzten Sommer ihre Tanks nicht oder nur halb gefüllt.

Das könnte sich im Februar oder März 2023 rächen. Wenn Besitzer von Liegenschaften, Betreiber von Notstromaggregaten und Zweistoffanlagen alle auf einmal Öl bräuchten, hätten die Lieferanten zu wenig Kapazität. Laut Rolf Hartl, Präsident der Pflichtlager-Organisation der schweizerischen Mineralölwirtschaft wäre dies jedoch ein absoluter Extremfall.

Der Verband kritisiert zudem, dass sich die 19-Grad-Regel gar nicht praktikabel umsetzen liesse. In Bodennähe sei die Temperatur tiefer als direkt unter der Decke, und im Badezimmer anders als im Schlafzimmer, wird SVIT-Geschäftsführer Marcel Hug in der «SonntagsZeitung».

In seiner Stellungnahme hatte der Verband deshalb verlangt, dass der Bund konkrete Vorgaben zur Raumtemperatur-Messung definiere – «also mit welcher Methode beziehungsweise Gerätschaft, auf welcher Höhe, über welche Dauer, in welchen Räumen und durch wen».

SRF 4 News, 30.09.2022, 16 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel