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Abschaffung der Heiratsstrafe Individualbesteuerung zittert sich durchs Parlament – fürs Erste

  • Der Ständerat stimmt einem Kompromiss bei der Individualbesteuerung zu. Damit soll die sogenannte Heiratsstrafe abgeschafft werden.
  • Der Entscheid in der kleinen Kammer fiel hauchdünn mit 23 zu 22 Stimmen. In der Schlussabstimmung im Parlament herrscht also Absturzgefahr.
  • Damit sollen künftig alle steuerpflichtigen Personen unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert werden.

Die Heiratsstrafe abschaffen – aber wie? Diese Frage schwebt seit Jahren über dem Bundeshaus. Eine Allianz aus Linken und Liberalen will, dass Ehepaare künftig individuell besteuert werden. Mit der grössten Steuerreform der Schweizer Geschichte soll die Gleichstellung gefördert werden. Doch SVP und Mitte warnen: Die Individualbesteuerung schaffe neue Ungerechtigkeiten.

Die Kunst der Zuckerbäcker
Legende: Die Heiratsstrafe ist der Grund, warum viele Paare in der Schweiz nicht heiraten. Denn wer heiratet und keine Kinder hat, bezahlt deutlich mehr Steuern als Konkubinatspaare, die einzeln besteuert werden. Keystone/Regina Kühne

Heute nun kam es im Ständerat zu einem wahren Krimi. Denn die progressive Allianz und die konservativen Gegner der Vorlage halten sich in der kleinen Kammer fast die Waage. Nun kam es zu einem Durchbruch: Der Ständerat unterstützt einen im Nationalrat ausgehandelten Kompromiss bei der Steuerreform. Mit hauchdünner Mehrheit von 23 zu 22 Stimmen bereinigte er die ausstehenden Differenzen zur Schwesterkammer.

Links-liberale Allianz hält

Umstritten war zum einen, wer bei der Bundessteuer den Kinderabzug geltend machen kann. Der Bundesrat will, dass beide Elternteile je die Hälfte der neu vorgeschlagenen 12'000 Franken abziehen können. Der Nationalrat wollte es ebenso halten, und der Ständerat folgte nun mit knappstem Mehr.

Der Ständerat wollte bisher die Möglichkeit schaffen, Abzüge von einem Elternteil auf den anderen zu übertragen. Der Abzug sollte nicht verfallen, wenn eines der Einkommen zu tief ist, um ihn anzumelden. Die Befürworterinnen und Befürworter dieses Modells argumentierten mit Gerechtigkeit und der Freiheit, ein Familienmodell zu wählen.

Die Kommissionsminderheit, die dem Nationalrat folgen wollte, argumentierte mit mehr Kosten und Aufwand. Was die Mehrheit wolle, widerspreche dem Ziel, Erwerbsanreize zu schaffen. Sie setzte sich schliesslich durch, mit Stichentscheid von Präsident Andrea Caroni (FDP/AR).

Auch beim Steuertarif einigten sich die Kammern. Wieder mit Caronis Stichentscheid schloss sich der Ständerat dem Kompromiss des Nationalrats an. Dieser soll die Ausfälle bei den Steuereinnahmen auf 600 Millionen Franken senken. In der Version des Bundesrats wären es 870 Millionen Franken gewesen.

Die Differenz müsse jemand bezahlen, und mehr Menschen hätten damit höhere Steuertarife, gab Erich Ettlin (Mitte/OW) zu bedenken. Doch auch Finanzministerin Karin Keller-Sutter warb für den Kompromissvorschlag. Die Hälfte der Steuerpflichtigen werde mit diesem Modell entlastet.

Die Gewinner und Verlierer der Individualbesteuerung

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Die Gewinner:

  • Mit der Vorlage soll die Steuerlast gemäss Bundesrat für eine deutliche Mehrheit der Steuerzahlenden sinken. Die grösste Entlastung könnte es für Ehepaare geben, bei denen beide ähnlich viel verdienen. Das schliesst auch viele Rentnerpaare ein. Unverheiratete Personen ohne Kinder würden wegen der Absenkung des Steuertarifs ebenfalls entlastet.
  • Auch die Wirtschaft soll profitieren. Der Bundesrat und die Mehrheit im Parlament erhoffen sich von der Individualbesteuerung ein Mittel gegen den Fachkräftemangel. Es soll jene Personen zu einer Erwerbsarbeit oder einer Erhöhung des Arbeitspensums ermuntern, die bisher wegen der Heiratsstrafe darauf verzichtet haben.

Die Verlierer:

  • Der radikale Umbau des Systems in der Ehepaarbesteuerung schaffe neue Ungerechtigkeiten, bemängeln Kritikerinnen und Kritiker. Traditionelle Einverdiener-Familien würden bestraft, Doppelverdiener entlastet.
  • Insbesondere Eltern mit nur einem Einkommen in der mittleren und höheren Klasse wären besonders betroffen von der Reform. Sie würde auch unverheiratete Paare mit Kindern steuerlich mehr belasten. Und die Staatskassen würden mit dem Wechsel jährlich schätzungsweise rund 600 Millionen Franken verlieren.

Damit biegt die Individualbesteuerung auf die Zielgerade ein. Aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse im Ständerat könnte die Vorlage bei der Schlussabstimmung am letzten Sessionstag vom 20. Juni aber noch abstürzen.

Rückzug der Initiative?

Das Gesetz ist der indirekte Gegenvorschlag zur Steuergerechtigkeits-Initiative der FDP Frauen. Das Gesetz setze das Anliegen weitgehend um, freute sich FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (SG) – sie gehört dem Komitee an.

Sie gehe davon aus, dass die Initiative zurückgezogen werde, wenn die Vorlage die Schlussabstimmungen überstehe und kein Referendum ergriffen werde. Komme es zur Abstimmung und ende diese mit einem Nein, sei die Initiative das Backup, sagte Vincenz-Stauffacher auf Anfrage. Die Initiative selbst empfiehlt das Parlament zur Annahme.

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Arena, 30.05.2025, 22:25 Uhr ; 

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