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Abschaffung der Heiratsstrafe Nationalrat wählt Kompromiss bei Individualbesteuerung

  • Künftig sollen steuerpflichtige Personen unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert werden.
  • Der Nationalrat hat sich für eine Kompromisslösung bei der Individualbesteuerung entschieden.
  • Mit der Steuerreform soll die sogenannte Heiratsstrafe abgeschafft werden.

Die finanziellen Verluste für den Bund und die Kantone bei der Einführung der Individualbesteuerung sollen tiefer ausfallen als vom Bundesrat beantragt. Der Nationalrat hat sich hinter den von der Wirtschaftskommission (WAK-N) beantragten Steuertarif gestellt, mit dem sich die Verluste auf jährlich 600 Millionen Franken belaufen sollen. In der bundesrätlichen Version wären es 870 Millionen gewesen. Wegen der stärkeren Progression sind die Verluste in der beschlossenen Version tiefer.

Eine Minderheit um Leo Müller (Mitte/LU) hätte beim Tarif des Bundesrates bleiben wollen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Der Rat folgte mit 101 zu 95 Stimmen der Kommission.

Beat Walti (FDP/ZH) betonte, dass das Konzept der Individualbesteuerung Erwerbsanreize schaffe und zu einer besseren Erschliessung des Arbeitskräftepotenzials führe. Zudem werde die Steuergerechtigkeit zwischen Paaren in Ehe und Konkubinat gefördert.

«Das Ausmass der Verliererinnen und Gewinner ist überschaubar, es geht um eine 50er-Note», fügte Franziska Ryser (Grüne/SG) hinzu. Auch Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter sagte, dass die Individualbesteuerung zu Gewinnern und Verliererinnen führe. Je mehr Mindereinnahmen bei den Steuern man in Kauf nehme, desto weniger Verlierer gebe es. «Eine solche Umstellung ist halt nicht gratis zu haben», betonte die Finanzministerin.

«Das Bundesgericht hat 1984 bereits gesagt, dass diese Heiratsstrafe verfassungswidrig ist», gab Céline Widmer (SP/ZH) zu bedenken. Die Individualbesteuerung sei ein wichtiges, gleich­stellungs­politisches Ziel. Auch die GLP folgte der Mehrheit: Jürg Grossen sprach von einer den Lebensrealitäten entsprechenden Steuerreform.

Zusätzliche Steuerdossiers durch Individualbesteuerung

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Der Bundesrat rechnet mit 1.7 Millionen zusätzlichen Steuerdossiers. Einkünfte und Vermögenswerte von Verheirateten sollen nach zivilrechtlichen Verhältnissen aufgeteilt werden, wie heute bei Unverheirateten.

Die Individualbesteuerung soll auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene eingeführt werden. Die Übergangsfrist für die Einführung der Neuerung beträgt mehrere Jahre.

Die Einführung der vom Zivilstand unabhängigen Besteuerung an sich hatten die Räte bereits gutgeheissen, mit knappen Mehrheiten. Die SVP und die Mitte-Partei lehnen die Individualbesteuerung ab.

Aus Sicht der Gegner gäbe es anstelle der Heiratsstrafe für andere Steuerpflichtige Steuerstrafen. Betroffen wären namentlich Familien mit traditioneller Rollenaufteilung. Auch führen Gegnerinnen die Kosten für die aufwendige Umstellung des Steuersystems ins Feld.

Diskussion um Übertragung der Kinderabzüge

In zwei anderen Punkten beharrte der Nationalrat hingegen auf seinen Positionen. Mit 130 zu 66 Stimmen lehnte er die Möglichkeit ab, kinderbezogene Abzüge von einem Elternteil auf den anderen zu übertragen, aus Rücksicht auf Paare mit stark unterschiedlichen oder mit nur einem Einkommen.

Drei Personen am Tisch, zwei Erwachsene und ein Kind, beim Malen in einem Wohnzimmer
Legende: Die Individualbesteuerung soll die finanzielle Unabhängigkeit aller stärken und dem Arbeitsmarkt mehr Fachkräfte bringen. KEYSTONE / Christian Beutler

Dagegen hatte sich die SVP gestellt. Sie hätte die Übertragbarkeit zulassen und dem Ständerat folgen wollen, der die Übertragbarkeit der Zulagen in die Vorlage einfügte. Es sei nicht gerecht, die Hälfte des Kinderabzuges verfallen zu lassen, wenn er mangels genügenden Einkommens gar nicht abgezogen werden könne, sagte Sprecher Paolo Pamini.

Entsprechend diesem Entscheid will der Nationalrat im Gegensatz zum Ständerat keine Verfahrensbestimmungen bezüglich der gegenseitigen Einsichts- und Einspracherechte für Ehegatten in der Vorlage. Die SVP forderte vergeblich, dem Ständerat zu folgen, der die entsprechenden Bestimmungen in die Vorlage eingefügt hatte.

Der Entscheid im Ständerat dürfte in der Sommersession im Juni fallen.

SRF 4 News, 7.5.2025, 9 Uhr ; 

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